K. Wyborny
Bartleby
extreme Arte-Povera-Verfilmung von H. Melvilles gleichnamiger Erzählung
43 Minuten Film
mit Christoph Hemmerling, Peter Waldheim, Götz Humpf, Hannes Hatje, Kiev Stingl und Heinz Emigholz
gedreht im Sommer 1976 in den Räumlichkeiten von Heinz Emigholz und Silke Grossmann im Hamburger Zippelhaus
Produktion Regie Buch Kamera Schnitt K. Wyborny
Teil von K. Wybornys 130 Minuten Film "Der Ort der Handlung", gelegentlich, 1979 z.B. in englischer Fassung im "Collective for Living Cinema" New York, auch einzeln vorgeführt
Kurzbeschreibung in einem Aufsatz von H. Bitomsky "Nachrichten von Wybornys Filmen", "Filmkritik" 10 / 79, S. 486
K. Wyborny zu H. Melvilles "Bartleby the Scrivener"
geschrieben für ein zweitägiges "Hermann Melville Spezial" in der Berliner Max-Taut-Aula, in dessen Rahmen "Bartleby" am 14. 11. 2009 aufgeführt wurde
Die Weigerung etwas zu kopieren, die Melvilles Bartleby so vorbildhaft ausspricht, worin besteht Sie für uns heutige? Die stoische Verweigerung gegenüber einer Prozedur, der wir, machen wir uns nichts vor, die komplette Textüberlieferung der Antike - und damit unsere Kultur! - verdanken, einer Kette geduldiger Schreiber und Abschreiber, die, wie in Bartleby dargestellt, einander in Gruppen vorlasen, was sie kopierten, damit alle zugleich erkennen, ob Fehler gemacht wurden. Verfaßt von Melville im Jahr 1853, als der Gedanke an Schreibmaschinen mit Durchschlägen noch fern lag. Die waren fürs Kopieren gewiß ein Fortschritt. Heute, im Zeitalter der digitalen Kopie, mutet uns Bartlebys Widerstand als Selbstverständlichkeit an. Macht das, macht die kindliche Selbstverständlichkeit seines Protestes, seine Aktualtität aus, seine immer größere Beliebtheit? Denn inzwischen ist Bartleby unter jungen Leuten fraglos ein Klassiker, ganz wie Camus "Fremder", und stellt selbst Moby Dicks vitalen Kapitän Ahab mühelos in seinen schwachbrüstigen Schatten.
Im Widerstand gegenüber dem Kopieren artikuliert sich jedoch nur ein Teil von Bartlebys Revolte. Die zweite Komponente, sie ist ja der Ausgangspunkt seines Protestes, richtet sich speziell gegen das Kopieren von Anwaltsdokumenten. Besteht in einer Arbeitsverweigerung gegenüber einer als stupide oder idiotisch empfundenen Tätigkeit, so großen Nutzen diese für den gesellschaftlichen Zusammenhang haben mag, der zweite Grund seiner Beliebtheit? Weil wir alle von Berufen mittlerweile erwarten, daß sie dem Menschlichen, unserer menschlichen Verspieltheit und Vitalität, so weit wie nur möglich entgegenkommen? Und Arbeitgebern wie selbstverständlich abverlangen, daß sie uns ein menschenwürdiges Dach über dem Kopf finanzieren? Sogar so weit gehend, daß wir keinerlei Gegenleistung zu geben bereit sind, die unseren Neigungen nicht vollkommen entspricht, nicht einmal diejenige, einen wohlhabenden jungen Mann auf einer Europareise zu begleiten und ihn mit unseren Gesprächen zu erfreuen?
Dabei würden wir allerdings nicht so weit wie Bartleby gehen und riskieren, sang und klanglos in einer Obdachlosenanstalt auf einer Bank zu verenden.
Aber im Kunstmilieu stellt sich die Frage des Kopierens und der Menschenwürdigkeit um Vieles schärfer. Hundertausende junger Leute weigern sich jedes Jahr, sich in funktionale Arbeitsabläufe integrieren zu lassen, worin sie, als Werbegrafiker etwa oder den Massengeschmack bedienende Fernsehzuarbeiter, bewährte Muster immer auf Neue zu imitieren und zu kopieren haben. Daß sie dabei die Sympathien vieler auf ihrer Seite haben, stellt nur die eine Seite der Medaille dar. Denn in Form der Bartlebyschen Verweigerung riskieren sie in jugendlichem Leichtsinn dabei nicht selten ihre Zukunft. Wer nicht rechtzeitig die Kurve kratzt, hat schlechte Karten. Auf einen einzigen im Künstlerbereich den Durchbruch Schaffenden kommen bekanntlich 100 Leichen.
Daß Melville in seiner Erzählung auch diesen Aspekt darstellen wollte, steht wohl außer Frage. Nach dem kommerziellen Mißerfolg seiner Romane "Mardi", "White Jacket", "Moby Dick" und "Pierre" betrachtete er die Arbeit an seinen Erzählungen - also auch an Bartleby - als "hack-work" für Zeitschriften, mit der er ein paar Dollar zu verdienen gedachte, also als Zuarbeiter der Unterhaltungsindustrie. Insofern entwarf er in dieser Erzählung ein verschlüsseltes, ins Komische gleitendes Selbstporträt, das den schlimmsten Befürchtungen für seine Zukunft Ausdruck verlieh. Das Ende auf der Parkbank lag in den 50ger Jahren stets als Drohung über ihm. Doch 1853 war Melville erst 34, und kaum etwas ist für junge Männer komischer als der eigene Untergang, den sie sich zwar vorstellen können, an den sie aber mit keiner Faser ihrer Körper zu glauben vermögen.
Erst um 1860, nach dem Mißerfolg des "Confidence Man" und seiner Reise nach Jerusalem und in den Orient, die ihm offenbar vollends den Rest gab, gab er auf, einen ursprünglich originellen Weg in seiner Kunst einzuschlagen. Danach war seine Kapitulation komplett. Um sich vor dem Schicksal Bartlebys zu bewahren, stellte er seine Romancierstätigkeit ganz ein und arbeitete fortan brav als seine Familie ernährender Zollinspektor.
Der indes heimlich an "Clarel" schrieb, einer vielhundertseitig gereimten Expedition durch die Wüsten religiösen Zweifels, deren wenige Exemplare (mehr zu "Clarel" und Melvilles damaliger Situation in "Pilgerfahrt", einer gewalttätigen Aneignung dieses sonderbaren Gedichts, sowie in "Vereinigt III, 2), im Eigendruck hergestellt, bald wieder, mangelnden Leser- und Kritikerinteresses wegen, eingestampft wurden. Wobei man in seinem Koffer nach seinem Tode noch "Billy Budd" fand, eine homosexuelle Seemannsphantasie.
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So weit in etwa die Text und Autor betreffenden Überlegungen, als ich mich 1976 - mit derzeit 31 - an die Verfilmung von "Bartleby" machte. Ich legte es von vornherein auf eine Darstellung möglichen künstlerischen oder gesellschaftlichen Scheiterns auf Grund einer instinktiven ästhetischen Überzeugung an, die sich vor gewissen Kompromissen so sehr ekelt, daß sie den eigenen Ruin in Kauf nimmt. Dementsprechend waren Drehort und Darsteller gewählt. Gedreht wurde in den karg eingerichteten Räumlichkeiten von Heinz Emigholz und Silke Grossmann im Hamburger Zippelhaus, wo damals äußerst originelle Photographien, Zeichnungen und Filme entstanden. Insbesondere hatte es mir, als einziger Ausblick der hinteren Räume, ein Lichtschacht angetan, der dem in Melvilles Text auftauchenden ein wenig entsprach. Als "Schauspieler" stellten sich Künstlerkollegen zur Verfügung, allesamt (wie auch ich) im Sinne Melvilles existentiell hochgradig gefährdet. Für dieses Projekt erst eine Fernsehstation anzubetteln, schien pervers. Stattdessen sollte die "Verfilmung" im extremen Arte-Povera-Stil vonstatten gehen, in bewährter Künstlermanier also, in der Intelligenz, Grazie und angewandtes Talent den massiven Einsatz von Produktionsmitteln und Geld nicht nur ersetzen, sondern ganz unnötig machen.
Wobei derzeit verschärfend hinzukam, daß in den Siebzigern "Kultur" weitgehend als "Gegenkultur" begriffen wurde, als subversive Tätigkeit also, die eigene Räume herstellte. Die - akzeptiert wurde nur die Straßenverkehrsordnung - übrigens nicht so sehr "gegen" die Gesellschaft gerichtet waren, sondern von ihr einfach nichts mehr erwartete und, aus heutiger Sicht muß man wohl sagen: infantile Verachtung für die von ihr angebotenen "vernünftigen" Strukturen empfand. Die Verachtung betraf jedenfalls nicht einzig Theater und Opernhäuser oder das offizielle Feuilleton, sondern nicht weniger das, außer diesen, auch andere vernünftige Strukturen tragende ökonomische System und insbesondere dessen als menschenfeindlich empfundene Arbeitskraftnutzung. Was indes weniger Ausdruck eines auf Revolution zielenden politischen Protestes war, wie gern angenommen oder gesagt wird, sondern längst der Versuch, einen Parallelweg einzuschlagen. Und auf diesem Weg kalkulierte man in der skizzierten jugendlichen Manier das eigene Scheitern à la Bartleby als Risiko durchaus ein. Auch das - eine stoisch gleichgültige Haltung also gegenüber dem eigenen Schicksal, die man auch als christlich bezeichnen könnte, ein lammfrommes Erdulden der Erdenschwere im Dienste dessen, was man vage als "heilig" empfand - wollte in dem Film dargestellt sein.
Das als blasser Anriß des, wenn man so will, sozialen Hintergrunds. Zugleich sollte möglichst viel von der logischen Wucht des melvillschen Textes zu Gehör gebracht werden. Und keinesfalls das filmübliche Literaturverfilmungschema "kopiert", das den Originaltext bis auf vereinzelte Dialoge überflüssig macht und das Handlungsgerüst mit enormem finanziellen Aufwand als beschleunigten comic-strip wiedergibt. Die dafür verwandten Verfahren, die dazu nötigen fließbandmäßigen Tricks, aber auch die übliche Ausstattung mit immer viel zu eleganten viel zu gut sitzenden Kostümen in viel zu eleganten, viel zu ausgeleuchteten Interieurs (denn grade Armseligkeit und düstere Armut darzustellen, erweist sich, wie Bitomsky ganz richtig bemerkt hat, im Studiosystem als fast unbezahlbar), erschienen mir in jenen Jahren doch ziemlich lächerlich. Andere Filmformen schienen um Vieles lebensnäher und zeitgemäßer. Die Komplexität von Literatur zog ich in fast jedem Falle deren "Verfilmungen" vor. Wobei die Diskrepanz zwischen - jedenfalls im Fall Melvilles - einst kärglichstem Autorenhonorar und dem Verfilmungsaufwand für mich bis heute etwas von Grund auf verstörend Obszönes hat.
Es sollte also mit einem Etat gedreht werden, der mit Melvilles Einkünften - also ein paar Dollar - vergleichbar war. Das Ziel, einen Film zu diesen Kosten herzustellen, ist allerdings bei der gängigen Filmproduktion leichter formulier- als durchführbar. Aber natürlich stellt man sich als halbwegs kreativer Mensch, der gewohnt ist, pragmatische Lösungen auch im Extremen zu finden und nicht als Philosoph meditierend vor den Barrieren des Unüberwindlichen oder gar Unmöglichen zu verharren, in solchen Fällen nur Aufgaben, bei denen man bereits ziemlich sicher ist, sie auch erfüllen zu können.
Wie das gemacht wurde, werden Sie dem Film unschwer entnehmen.
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Vorher möchte ich Sie allerdings auf einen weiteren Aspekt hinweisen. Und zwar handelt es sich um etwas, das eigentlich augenfällig ist, das ich selber aber, obwohl ich ihn gemacht habe, erst nach vielen mal Anschauen des Films richtig wahrnahm, ohne es, in eigentümlicher Blindheit, wiederum lange wirklich zu begreifen. Und zwar geht es um die Erzählperspektive. Denn anderes als "Der Fremde" von Camus, dessen gefährlich einleuchtenden Existentialismus wir aus der Perspektive des zum Tode verurteilten Mersault wahrnehmen, wird Bartleby von der Warte des vernünftig Überlebenden aus erzählt, des Anwalts, der den armen Bartleby angestellt hat und sich geradezu rührend, mit jedenfalls ergreifender Toleranz, um seinen Angestellten kümmert und am Ende sogar bereit ist, mit ihm in der Art des Heiligen Martin den Mantel zu teilen.
Geblendet durch die Radikalität von Bartlebys Verhalten, seiner Weigerung, bald auch die simpelsten, die selbstverständlichsten Dienstleistungen für seinen Arbeitgeber zu verrichten, übersah ich dies lange. Und darin, daß Bartleby, in aller Schlichtheit und ohne unverschämt zu wirken, sogar dieses brüderliche Extremangebot zurückweist, besteht vielleicht das eigentlich Ungeheure dieser, wie gesagt, bereits im Jahr 1853 entstandenen Geschichte. Mehr als das Scheitern des lebensunfähigen Bartlebys ist das Scheitern dieses Anwalts Thema der Erzählung. Es ist ein Scheitern des ohne Hintergedanken aufrichtig Gutgemeinten.
Wenn man so will, wird darin in genialer Weise bereits des Scheiterns der Sozialdemokratie antizipiert, deren Gerechtigkeitssinn, bei allem Bemühen, nie den Eigensinn aller Individuen einer Gesellschaft zu befrieden vermag. Je mehr diese sich individualisieren - Bartleby ist ja nur ein Spezialfall -, desto weniger kann dies gelingen.
Daß Melville mit 34 in der Lage war, sein eigenes künftiges Scheitern - daß er in dieser Erzählung gewissen Lebensängsten indirekt Ausdruck verlieh, wurde ja bereits erläutert - aus der Sicht eines gutmeinenden Anwalts zu beschreiben, der solches Scheitern mitfühlend verfolgt, verrät wiederum, wie mir scheint, eine gespenstische Ambivalenz. Einerseits zeigt sich darin fraglos wieder seine schriftstellerische Brillianz, die zu multiperspektivischer Sicht jederzeit fähig ist. Zum anderen läßt sich darin aber wohl auch schon der zukünftige lebensreifere Zollinspektor ahnen, der auf seine einstigen weltumfasssenden Romanversuche - dies findet jedenfalls in "Clarel" indirekt Ausdruck - ähnlich verständnislos zurückzublicken versucht, wie der Erzähler auf das störrische Verhalten des von ihm angestellten Bartleby.
Hamburg, den 25. Oktober 2009
(© copyright K. Wyborny)
Der Film hat die Form
Titel : Einstellung : Titel : Einstellung : Titel : Einstellung : Titel : Einstellung ... etc.
wobei die Titel in diesem Fall aus im off verlesenen Text bestehen. Diese Form war, wie in K. Wybornys Einführung zur "Elementaren Schnitttheorie" (ehemals "Nicht geordnete Notizen zum konventionellen narrativen Film", abgedruckt in "Filmkritik" 10/79) anhand einer Analyse von Griffiths "Resurrection erläutert (Abschnitt D, Filmgeschichte), seit etwa 1905 in der Filmindustrie präsent. Dort heißt es unter anderem (was, leicht modifiziert, auch für diese Verfilmung von Bartleby gilt):
Diese Filmform ist die einfachste, die unterschiedliche repräsentative Einstellungen miteinander verbindet. Zugleich ist sie die erste Filmform, die eine systematische und seriell herstellbare Produktion narrativer Filme ermöglicht. Mit ihr können sogar einander eigentlich fremde Einstellungen so verbunden werden, daß sich ein "sinnvolles" Handlungsgefüge daraus ergibt. Alle aus den Bildern nicht ablesbaren Beziehungen können durch Titel beschrieben werden. Und das kann wie bei folgendem Titel
T17 : SHE REFUSES TO RETURN, PREFERRING TO WORK OUT HER SALVATION BY RENOUNCING THE WORLD FOR THE PATH OF DUTY
eine ganze Menge sein, gemessen jedenfalls am dazugehörigen Bild, auf dem man bloß eine im Schnee stehende, ansonsten nichts tuende Person wahrnehmen kann. Mit einem solch effektiven Verfahren, das sogar aus Mist im Notfall Gold zu machen verstand, konnte die Filmproduktion zu einem Sektor vollindustrieller Produktion werden, und das verrät auch die Zahl von über dreihundert Kurzfilmen die Griffith zwischen 1907 und 1911 drehte.
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Auffällig an "RESURRECTION" ist, daß fast alle Titel das Geschehen der folgenden Einstellung beschreiben und nicht das der gerade vergangenen. Man scheint sich der Fähigkeiten des Mediums damals derart unsicher zu sein, daß man es für nötig hielt, die Information schon im vornherein anzukündigen und sie zu verdoppeln. Das läßt die Bilder leicht zu einer Art Illustration einer Textvorlage werden. Die Handlung wird dabei durch eine literarische Inhaltsangabe geführt und entwickelt sich nicht aus den räumlichen Beziehungen der Filmbilder. Dadurch arbeitet die Bildfolge als atmosphärischer auf einem literarischen Code. Das hat sich inzwischen erheblich geändert, dennoch hat der literarische Code, speziell seit der Einführung des Tonfilms, der ihm zu neuer Geltung verhalf, seine Führungsrolle nie wirklich verloren: in allen narrativen Filme haben die Bilder auch die Qualität einer beiläufigen Dialogillustration.
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Wenn man diesen Film sieht, ist es schwer sich zu entscheiden, was unverschämter ist: Griffiths Versuch, Tolstoi zu verkürzen oder Tolstois Versuch, eine Geschichte, die sich in einem Zehn-Minuten-Stummfilm erzählen läßt, auf fast tausend Seiten auszubreiten. Die Chuzpe Griffiths haben Literaturverfilmungen bis heute. Aber die ist es eigentlich nicht, die wirklich unverschämt ist, Literatur ist ja nichts heiliges. Unverschämt ist die Chuzpe, etwas ziemlich Erstaunliches in etwas deutlich Minderwertigeres zu verwandeln und zu hoffen, damit durchzukommen, obwohl dieser Schritt in die Minderwertigkeit allen am Produktionsprozeß Beteiligten von vornherein klar ist. Am Beginn der Filmgeschichte gab es sicher die Hoffnung, daß es sich bei dem so Hergestellten um Prototypen handelte, die dann - Griffiths Werk ist ja von dieser Anstrengung sympathisch gezeichnet - irgendwann einmal zu richtigen Kunstwerken führen würden. Selbst in einem so einfachen und zusammengeschlachterten Film wie "RESURRECTION" ist in Titeln wie
T4 : TO KATUSCHA, THE TOSSED-OFF BLOSSOM REPRESENTS THE FUTILITY OF DIMITRI'S ADMIRATION
etwas von der Hoffnung auf das, was Film einmal sein könnte, zu entdecken, eine gerichtete, Allegorien umfassende Raffinesse, von der Lumière zehn Jahre zuvor sich nichts hatte träumen lassen, und von der in Unternehmungen wie Schlöndorffs Proustverfilmung nicht einmal mehr geträumt wird. Tatsächlich hat Film dieses Versprechen bis heute nur in ein paar hohen Momenten einzulösen verstanden. Dafür aber hat er manches andere übererfüllt.
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Im übrigen ist die Filmform von "RESURRECTION" heute keineswegs so überholt, wie man vielleicht denken könnte. Es ist die im Dokumentar- und Tagebuchfilm auch heute noch übliche, bis auf den Unterschied, daß Titel nicht mehr gelesen werden müssen, sondern als Kommentar im off zu hören sind. Eigentlich überrascht weniger, daß diese in sich vernünftige Form noch existiert, erstaunlich ist eher, daß und wie das narrative System es geschafft hat, sich ihrer zu entledigen. Denn diese Form wäre auch im narrativen Kino in Bezug auf Effektivität - in, sagen wir mal, der Inhaltsvermittlung - keineswegs überholt. Ich bezweifele, daß ein narratives Bildsystem mit noch so viel technischem und finanziellen Aufwand jemals die Effektivität des folgenden Zwischentitels erreichen kann:
T8 : DIMITRI REALIZES THAT HER PLIGHT IS HIS FAULT: AT THE TRIAL HE PROTESTS, WEAKLY. THE PROCEEDINGS ARE A PARODY
Die Zwischentitel in den Filmen verschwanden jedenfalls nicht, um irgendeinen Informationsfluß zu optimieren. Verglichen mit der Schrift ist der narrative Film ein denkbar schlechtes Informationssystem.
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Wenn man so will, stellt "Bartleby" den Versuch dar, diese These zu illustrieren. Wobei die extreme Kargheit sowohl der Interieurs als auch der Schauspielerei, in der gar nicht erst der Versuch gemacht wird, "realistisch" zu agieren, vielleicht sogar als Beweis gelten kann. In Wybornys Werk steht "Bartleby" in einer Kette von extremen, oberflächlich gesehen bloß illustrierenden Textverfilmungen, die von der Dämonischen Leinwand (1968) über "Die Geburt der Nation" (1973) bis hin zu "Sulla" (2001) und "Das Letze Jahr" (2009) reichen, in denen Wort-Bildbeziehungen bis aufs Äußerste ausgereizt werden.
-- C.W.
Photos:
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