K.Wyborny

VEREINIGT

Erster Teil

DIE KRISE DES DETAILS

Kapitel 4


Weil Philipp hatte allein sein wollen, er hatte zu verstehen gegeben, sie störe, ging Viola - als Frau durfte man nicht durch Langsamkeit verfügbar erscheinen - recht zügig gleich an den Strand, und da fiel er ihr wieder auf, jener sonderbare Däne, mit seinem Hund, oder war es ein Schwede, der im netten Hotel da hinten untergekommen war. Während sie selber in einem primitiven Zimmer hauste, auf was hatte sie sich eingelassen - na, immerhin die Medina, so eine Altstadt hat auch ihren Reiz. Soll Philipp doch tun, was er für richtig hält, ich werd schon was aus dieser Fahrt herausholen! Einen nachts aus dem Zelt stoßen, an der Steilküste neulich, das war zuviel! Das Meer fühlte, jetzt im November, sich herrlich an, ein göttliches Geschenk, dessen Brandung den Winter vergessen ließ, und der Sand, darauf nun ihr Handtuch zufrieden sich ausbreitete, war nach dem Schwimmen wunderbar warm. In herrlichem Prickeln trocknend, das ihr die Haut spannte und sie mit der Illusion unzerstörbarer Jugendlichkeit überzog, las sie im von Balzac entfalteten Glanz und Elend der Kurtisanen - ja das, das war Paris, wunderbar, wenn man Straßennamen, gewisse Gebäude und Brücken wiedererkannte, an denen man selbst schon gewesen war, und da saß dieser Schwede, sie hatte ihn gar nicht kommen sehen, schon neben ihr. So, eine Deutsche sei sie also, suchte er ein Gespräch in Gang zu setzen: er wohne gleich dahinten, wär gar nicht so schlecht, in jenem Hotel - als ob sie das nichts bereits wüßte. Und was für ein eigenartiges Paar sie mit diesem Hippie abgäbe, mit dem sie nie spräche... - "Mein Bruder!" wich sie etwas Unangenehmen aus, ohne recht zu begreifen, warum sie log. - "Bruder?" grinsend hakte er nach, das erkläre ja eine Menge. Vorfreude wohl, du Trottel! Wenn du wüßtest, wie billig dein Grinsen ist. Na warte! - "Verrückt", sprach er da wieder ganz sinnlos: "wie Salz und Sand sich hier in die Haut brennen, grade wenn man nichts tut. Manchmal denk ich, ich bestehe nur noch aus Haut, Salz und Sand." Er würde hier jedenfalls den Winter verbringen wollen, bis ihm die Lust verginge. Aber das wars dann auch schon, offenbar wollte er gar nicht mit ihr ins Gespräch kommen, und als sie ihn dann, umtollt von dem Hund, ins Wasser schreiten sah, ein schlanker, braun gebrannt kräftiger Körper, ganz hübsch eigentlich, mit zierlich eingraviert lockender Muskulatur und, hu, leider zu klein geratenem, recht festen Hintern, dachte Viola: "Ach, Philipp! Du bist immer noch bloß ein kleiner Junge. Ich bin wenigstens eine richtige Frau!" Sie hatte keine Ahnung, wieso dieser Gedanke Stolz in ihr aufsteigen ließ, aber so war es. Dem Meer wieder entschritten, glänzte sie seine Haut vergnügt im Vorbeigehen an: "Hinten im Hotel sind Duschen", ließ er nun wissen, um sich dann, als sie eine anzügliche Einladung erwartete - Wie sie die abschmettern würde! -, in seinem Glanz von Salz und Wasser, nicht weit von ihr unvermutet innig mit dem Hund zu beschäftigen. Aus Scham wohl vor seiner kühnen Attacke oder auch Angst, daß sie ihn zurückwies, trotzdem aber noch lauernd, wenngleich er nicht einmal Augen mehr für sie zu haben schien; und so bemerkte sie, eigentlich nur, um ihn, verärgert von diesem scheinheiligen Getue, zu verblüffen: "Ja, das wäre nett: duschen!" und schon gingen sie, als sei nichts dabei - und 'an sich', wie sie stumm vor sich hinmurmelte: 'ganz gegen ihren Willen' - zusammen in Richtung des Hotels, hinter dessen Rezeption sich am eleganten Swimmingpool tatsächlich eine Reihe hellgestrichener Duschkabinen dem Blick darbot. Frisches Wasser, wunderbar, dachte sie, als sie sich bald in einer der lockenden Kabinen streckte, nach dieser elenden Woche in diesem duschelosen Zimmer, das ihr inzwischen wie eine Staubwüste vorkam, welche sie täglich zu durchqueren hatte. Endlich durchspülte ihr süßes Wasser die Haut, sie endlos liebkosend und herrlich. Unter dem direkten Sonnenlicht, vor dessen Essenz sie sich nun dankbar zu verbeugen bereit war, ein endlich in den spirituelleren Bereichen der Mystik angekommener Mönch, durchflirrten die Latten des Türrostes noch alle möglichen, immer mal wieder scharf aufblitzende Reflexionen von der Oberfläche des Swimmingpools, in ihrer unnatürlicher Helle schienen sie ihr Ausdruck irgendeines unfaßbaren Glücks zu sein. - Ja Philipp, du Schuft! dachte sie, als es, zu einem zaghaften "Bin schon fertig..." an ihrer Tür klopfte, dem ein akzentreich hervorgestoßenes "Wie wärs jetzt mit einem Drink?" zu folgen wagte, auf klassisch schwedische Art von Grund auf allerdings unentschlossen. - "Ja warum denn nicht", rief sie in ihrer dem sauber machenden Licht geschuldeten Heiterkeit zurück, da tat sich von jenem Klopfen, vielleicht war sie nicht recht verschlossen, die Tür langsam auf - nein, Übersinnliches geriet kaum ins Spiel -, und sie fühlte, wie ihr Körper durch gleißendes Sonnenlicht aus dem Dunkel herausmodelliert wurde. - Für diesen da, dachte sie starr, eine Hand billig schnell vor der Scham und die andere billiger noch über der Brust, ganz Venus schon unter fließendem Wasser. - "Wir könnten ja ..." wiederholte er tonlos, mit diesem unbeendbaren Satz ganz unschwedisch bereits bei ihr drin, wo er der Tür, als habe er sich dazu durchgerungen, den Satz doch zu beenden - nicht mit dem harmlosen Wunsch nach gemeinsamem Drink freilich mehr, sondern stiller, gefährlicher, für sie gefährlicher -, einen abschließenden Stoß gab. Und so standen sie sich, Tieren gleich, die zueinander gefunden hatten, in diesem schräg von Lichtstreifen scharf durchzogenen Dunkel gegenüber: "Hat niemand gesehen", flüsterte er, wie wenn sie bereits Teil einer gemeinsam ausgeheckten Verschwörung wären. Das über ihren Kopf sich ergießende Wasser machte Viola seiner Anwesenheit gegenüber taub, schien sie regelrecht zu betäuben, sie hörte nicht recht, was er da sagte, begriff idiotischerweise kaum, daß sie hier nicht wie der Heilige Antonius einer Versuchung gegenüberstand, der sie zu widerstehen hätte, sondern daß sie im Gegenteil selbst die Versuchung darstellte, ganz manifest sogar. Nur äußerst langsam drang durch, daß sie sich jetzt mit einem Mann allein in dieser Zelle befand und daß es hier, obwohl er zum Teil wieder bekleidet war, bereits nach unwidersprochener Intimität roch, aber dann begriff sie doch, daß jeder Moment, worin sie, in dieser atmenden Stille reaktionslos betäubt, erstarrt bloß ihre Scham verbarg, ihn zu Weiterem reizen mußte, zu sehr bald wohl auch aggressiverer Maskulinität, wollte sie das? - "Das Wasser...", flüsterte er beschwörend, als wolle er andeuten, es würde in Bälde stören, und wie sie nickte - es war schließlich Wasser -, unterbrach er einfach den Zufluß am Drehknopf neben ihr, was Viola doch etwas weit ging: "Nein, das ist zu still", ließ sie, ebenfalls flüsternd, vernehmen, und da wußte er, daß er weiter gehen konnte, in dieser von Mönchstum plötzlich nicht mehr die Spur sprechenden Zelle, sehr viel weiter sogar, wenn er den Mut dazu fand: "Zu still?" spöttisch wiederholte er es, in dem gestreiften Licht die paar Silben fast höhnisch nun dehnend, und drehte, als wolle er ihr entgegenkommen - Du falsches Aas - den Hahn wieder auf, so wenig freilich, daß ihr das Wasser, inzwischen hatte sie sich doch ängstlich abgewandt und so gut es ging Richtung Ecke verzogen, nur perlend die Schultern beplätscherte: "Besser?" hielt er den Ton dieser falschen Höflichkeit, und als sie ähnlich falsch sprachlos nickte, spürte sie schon, was vor einer Minute leicht hätte vermieden werden können, diesen in seinem halbblinden Tasten schon von Selbstgewißheit sprechenden Griff - ja weil sie sich auf dumme Weise verraten hatte, konnte er nun einfach herumlangen, gleich schob er sie Richtung Wand, kam sich wohl wie ein Wikinger vor, wo er ihr in die Brüste griff, und, wie sie tief einatmend zur Seite sich bog, gleich darauf schamlos direkt in den Schritt - da stieß sie ihm diesen, wie sie zu ihrer Befriedigung fand, "wütend" entgegen (diesem Abziehbild eines Minos, dem als eingebildeten Kenner aller Sünden so etwas nicht nur bei Semiramis, Kleopatra oder Helena bereits gelungen war) und reckte, ihre Ablehnung in kreischender Stille herausrufend, den Oberkörper zuckend weiter zurück - weit, ganz weit streckte sie sich nach hinten -, ohne freilich zu verhindern, daß, nach seinen Händen, auch sein Oberkörper das herabrieselnde Wasser, bislang hatte es sie beschützt, durchdrang und er sie, an ihrer Haut scheuerte schon naß sein Hemd, konfus zu küssen versuchte. Auf einmal spürte sie einen Schwanz in der Hand, unter der naß gewordenen Hose, ja das war gut, da wurde sie - denn er fummelte nun an seinem Gürtel herum - bereits wieder losgelassen, bis er nach ein paar Sekunden von neuem nach ihr tastete, endgültig diesmal nach ihrem Besitz verlangend, mit diesem gierig zupackenden Griff in die Hüften, gegen den sie sich endlich kräftiger wehrte, aber da waren schon Finger in ihrer Fotze - So schnell, dachte sie, ich hab mich so schnell verraten -, energisch griff er da bereits zu, trotz seines kleinen Hinterns ganz fest, dieser Mann, und "Mach die Beine breiter", hörte sie ihn zischen - ganz dumm, plump und vulgär -, während sie sich, angeekelt von ihrem Verhalten, von ihrem überschnellen Einwilligen, dieses bohrende Greifen noch immer blöde gefallen ließ; und das, sie mochte es gar nicht glauben, tat sie dann auch, sie machte die Beine in der Tat breiter, nicht mehr als ein kaum erkennbares Stück zuerst, in kurzem hilflosen Ruckeln, aber das reichte, bald streckte sie ihm das Becken halbwegs willig entgegen und öffnete sich ihm, in ihrem labiler werdendem Stehen, so gut es eben ging - ja, so gut das eben ging plätscherte ihr nun das Wasser, sie derbe betrommelnd, direkt auf den Bauch, und ebenso trommelte es über seine Schultern und Hände, von denen Teile bereits in ihr drin waren, und dann näherte sich ihr - mußte es sein? - auch der Schwanz, dessen Spitze sie scheu, mit steif gewordenen Fingern, ergriff, und da zuckte sie ihm schon mehr als nur deutlich entgegen; und natürlich war da die Sonne, war da das Wasser, während sie spürte, wie sie sich ihm in die Hände drehte, auch weil er nun ihren, jawohl, Kitzler berieb, ja, jetzt wollte sie ihn, diesen - ja, ja: Komm, Schwanz, und - "Komm!" hauchte sie, sich spitz auf die Zehen stellend, damit es nun leichter ging, und lockte ihn mit einem anfeuernden Druck ihrer Fingernägel: "Komm, komm..." Aber er wollte das nicht, er wollte da noch nicht rein. Lieber wollte er sie weiter erobern, wenns irgendwie ging unendlich lange weiter, diese Venus da vor ihm, wollte er möglichst lange voll Lust genießen, wie er diese schöne wildfremde Frau noch als vollkommen Fremder hier in die Hand bekam, wollte genießen, wie sich ihre prachtvolle Figur nun von kaum eingestehbarem, afrikanisch rohen Verlangen füllte, darin sie jetzt jedem ihr Dingsda hinhalten würde, ja wirklich jedem - Beine breit und dann rein! Auf ihren nun eifrig gestreckten Zehenspitzen zitterte sie jetzt vor Erwartung, ach, sie verstand ihn so gut - Gott, bin ich dumm, dachte sie, als sie sogar zu zappeln begann, nein, jetzt würde sie sich nicht mehr davonstehlen und wehren; inzwischen hatte er sie ganz in der Hand, er drehte sie fast in ihr um, mein Gott, war der brutal, und da fing es auch schon an zu rucken und zucken, ja, es zuckte, wie sie wußte, daß es da manchmal zucken konnte, selbst wenn sie nicht wollte, und jetzt griff sie fest in diesen Schwanz: "Komm, Komm rein..." lockte sie wieder, und, weil sie wahrnahm, einen wie fauchend ordinären Unterton sie hatte annehmen wollen, gleich wütender und fordernder: "Los, Komm, komm endlich!" und da spürte sie, wie er die Hand einfach herausnahm, ja - nein - bitte nicht - so war es doch nicht gemeint, sei ruhig noch ein bißchen grob - ha, da war ja noch immer was drin, das nun jedoch gleichfalls, dabei eine fragwürdige Leere hinterlassend, hinausglitt ... auf einmal war sie vollkommen leer, wie etwas Ausgehöhltes fühlte es sich an, auf wahnsinnige Weise hohl - und so weit sie nur konnte, streckte sie ihm, mit dem Kopf ganz hinten im Nacken die Beine so breit es nur ging, jetzt dieses Hohle fordernd entgegen: "Mach, bitte mach doch", flüsterte sie gepreßt und nicht im mindesten mehr vulgär, nun spürte sie dort nämlich den Schwanz, an dieser hohlen, an dieser fragwürdigen Leere, irgendwo ganz am Anfang, die nun wirklich, O Gott, zu zittern anfing, mehr noch zitterte, weil er wieder von ihr abließ, was sie noch leerer machte, ach er spielte mit ihr, dieser Schwanz, ah, jetzt kam er wieder herein, O Gott, "Agh!" japste sie auf, sobald er heraus glitt, ach, diese Leere, komm bitte hinein, ja, komm herein, und wieder - hinaus! - "Oh, bitte, bitte", hörte sie sich flüstern, und dann stieß etwas zu - "Ohhh!" machte sie, noch lange nicht wehrlos, aber im Grunde ja doch, und "Ah!" war er schon in ihr drin, und ja, richtig jetzt drin! Und raus und rein, und Schwanz, da war er, und das war sie, feuchte Sonne, das Meer - 'Ja, kleiner großer Schwede, fick mich, fick mich, fick mich!' schluchzte sie, wohl nur im Innern, sie wußte es nicht, während er sich über sie beugte, wie er in sie hineinstieß und sie breitbeinig ihm sich fickend entgegenstreckte, ja, hinein stieß er das, und nun küßte er sie auch, schützte er sie mit seinem braungebrannten Rücken, schützte er sie mit der zarten Gravur seiner Muskeln vor dem plätschernden Wasser - Ja das war es, das Stoßen, das Küssen, das war es, das Ficken, seufzte sie, wie sie, starr mit sich verdrehenden Augen, durch die Latten des Türrostes die flirrende Helle des Sonnenlichts wiedererblickte: Ja, Ja, Ja! und als sie merkte, wie sehr er spritzen wollte, zog sie ihm die Nägel durch den Rücken: 'Komm spritz, du kleines schwedisches Schwein; du hast es so gewollt, komm spritz, los spritz es in mich hinein!' dachte sie, und er zeigte ihr, wie er spritzte, und sie sah Sonne und dachte an all die Sterne und all die Menschen, die überall in der Welt miteinander schliefen, während die Erde in Einsamkeit fiel, und so wichtig sich nahmen - dann gingen sie auf sein Zimmer, um es dort nochmal in aller Ruhe zu tun; natürlich konnte er einigermaßen ficken, recht gut sogar - sie können es alle. Und 'Welch herrliche Stadt!', dachte sie in ihrem hormondurchfluteten Körper: 'Was für ein herrlicher Strand!'

***

"Ich habe das mit dem Schweden aufgeschrieben", begrüßte Philipp sie, als er Viola nach langer Zeit wieder einmal besuchte. - "Das nenne ich eine Überraschung", antwortete sie. - "Das, was du mal angedeutet hast", noch in der Tür kam er gleich auf den Punkt, er wußte, daß sie das an ihm mochte: "Wie du mich damals in Essaouira betrogen hast." - "Was? Ich glaube, du bist wieder mal zu schnell für mich." - "Ach weißt du, ich schreibe an dieser römischen Geschichte", erklärte er ihr, schon im Wohnzimmer, grob den Zusammenhang: "hat eigentlich nichts mit dir zu tun. Die Hauptperson ist ein Feldherr, der sich eine Situation mit einer Frau vorstellt, Sexuelles, du verstehst. Dann findet diese Situation wirklich statt - und so gut wie nichts von dem, was er sich vorgestellt hat, tritt ein. Das ist das Grundprinzip." - "Ach! Römische Geschichte also jetzt. Und wieso ich? Wieso kommst du damit zu mir?" - "Das Grundprinzip ist der Gegensatz von Entwurf und Verwirklichung, Theorie und Praxis: ihr Auseinanderfallen verrät etwas vom menschlichen Irrsinn, verstehst du." - "Und wieso mit dem Schweden?" fragte Viola, "spielt doch nicht in Rom." - "Ja, aber ich schreibe zu schlecht. Ich muß üben." - "Was? Zum Üben kommst du zu mir?" - "Auf Grund dessen, was du mal angedeutet hast: ich hab mir vorgestellt, wie es gewesen sein könnte. Genau: zum Üben! Es geht ums - Aufschreiben. Aufschreiben, das hätt ich nicht gedacht, ist anders als Denken, ganz anders, und sowieso was ganz anderes als Machen und Tun. Man muß das üben. Auch das Ficken - gerade das zu beschreiben ist nicht leicht, schon richtiges Vokabular finden ist fast unmöglich. Theorie und Praxis, du weißt. Und dann wollte ich ohnehin mal nachfragen, was da wirklich stattgefunden hat. Wir kennen uns ja ein bißchen." - "So, so, zum Üben", wiederholte sie. Es fiel ihr erstaunlich schwer, ihre Enttäuschung zu verbergen. - "Na ja, nicht nur - ich wollte auch mal sehen, wie du reagierst." - "Herrlich!" sagte sie, "du bist ja noch verrückter als damals. Deswegen tauchst du hier, nach vier Jahren, wieder auf? Zum Üben?" - "Was? Vier Jahre? Wie die Zeit vergeht", sprach er gedankenlos und holte die Seiten hervor, die er mühsam zusammengebracht hatte: "Weißt du: damals war die Welt einfacher, für mich jedenfalls. Daher nahm ich an, ich könnte sie eher beschreiben als das jetzt. Ich hab mir zwar immer eingebildet, ich könnte schreiben, das war wohl ein Irrtum. Ist auch ein Grund." - "Du bist mir nie einfach vorgekommen", sagte sie: "Lustig ja, manchmal. Auch zielstrebig, egoistisch, und dabei verrückt - aber nie einfach." - "Na, ja - lesen ist doch nicht schwer", sagte er, schon mit spielender Ironie, er hatte verstanden, daß sie es machen würde. Sie kannten sich wirklich ganz gut. - "Na, gut", meinte sie schließlich: "aber erst trinken wir Kaffee. Und unterhalten uns über das, was so passiert ist."

Während sie das taten, erkundigte sich Viola mit keinem Wort nach Christiane; das hatte sie sich bei seinen anderen Freundinnen angewöhnt: keine Fragen über das, was ihn immer mal zu ihr trieb. Das hatte so gut funktioniert, daß sie sich über Jahre hinweg sahen. Ab und zu klopfte er ein paar Wochen lang bei ihr an, wie jetzt - anschließend verschwand er wieder. Diese Art Diskretion galt ebenso für ihn: auch er fragte nie, ob oder wie sie momentan mit jemandem zusammenlebte. Viola wußte im Grunde nicht, warum sie sich darauf einließ, doch nachdem ihre jeweiligen mit anderen eingegangenen Beziehungen zu Ende waren, verstanden sie es, offen miteinander darüber reden, ohne sich groß zu verstellen. So pervers diese Verzögerung auch war, sie ermöglichte anscheinend, daß sie ohne groß zu lügen miteinander auskamen, ein beachtlicher Vorteil: es lehrte sie eine Menge vom Leben, was sie von sonst niemand erfuhren - vielleicht bestand darin das Geheimnis ihrer seltsam sporadischen Zusammenkünfte.

"Ach ja, ich erinnere das", sagte sie, als sie seine unverhohlen in ihre gemeinsame Vergangenheit führende Studie schließlich las. Er beobachtete, wie sie dabei mit den Knien auf dem Teppich hockte und registrierte gespannt, daß sie ihn ein paarmal erstaunt anblickte, um dann ein wenig hin und her zu rutschen, als würde sie etwas jucken: ja, das war Literatur! - "Wo bist du?" fragte er. - "Waren auch schon Finger in ihrer Fotze", kam prompt und ohne besonderen Ton die Antwort. - "So, so" sagte er, "Finger waren also in ihrer Fotze, wie? Laß doch mal sehen." - "Ach, laß mich lesen", wehrte sie ihn ab, weil er heranrutschte und ihr in vorgetäuschter Gutmütigkeit den Rücken zu tätscheln begann. - "Und jetzt?" frohlockte er, ließ sein Über-ihren-Nacken-Streichen sie sich doch wohlig zusammenziehen - entfernt erinnerte das an seine Katzen. - "Mach die Beine breiter - hörte sie ihn zischen - ganz dumm, plump und vulgär...", las sie. - "Was?" fragte er. - "Ja, so gut es eben ging ..." fuhr sie fort und ließ in ihrer Rückenmuskulatur ein in Wellen erfolgendes Zittern spüren, das schauerndes Wohlempfinden anzudeuten schien: "klingt alles, aber das weißt du bestimmt selbst am besten, ein bißchen gestelzt, ziemlich sogar." - "Kannst ja trotzdem die Beine breiter machen, während du liest", variierte er nun selber dumm und vulgär seinen Text - war das eigentlich wirklich vulgär? - und bestaunte, wie sie, unterdes er sich in lustigen Stufen zu ihrem Hintern hinunterarbeitete, beim Lesen mit den Knien ruckelte, kleine, kurze Ruckler, infolge welcher die Schenkel sich schubweise auseinander stellten - und da griff er ihr (wie einst, am ganzen Leibe zitternd, Paolo Malatesta der sehr schönen Francesca di Rimini, während sie gemeinsam vom Ehebruch der noch schöneren Guenièvre mit dem berühmten Lancelot lasen, und das findet heute niemand mehr vulgär), von hinten schon in die Gegend der Fotze. - "Ach, laß mich doch", sagte sie: "Laß mich erst mal zu Ende lesen." - "Soll ich die Hand so lange wegnehmen?" - "Nein, nein, mach ruhig - aber laß mich lesen", schob sie sich ihm da wohlig schon in die Hand, - 'Ah, Katze', machte es in ihm wie er ihr sanft und doch tutto tremante Teile der Unterhose hineindrückte und behutsam an deren Stoff vorbeizugehen begann. - "Wo bist du?" fragte er. - "Oh, bitte, bitte, hörte sie sich flüstern..." - "Ach, ich will dich jetzt ficken, hier auf dem Teppich!" behauptete er da und verließ nun 'endgültig', wie er komischerweise dachte, den vorgegebenen Text. - "Warte doch noch, ich bin fast zu Ende." Aber er wollte nicht mehr warten, jetzt nicht, und das sah auch sie nicht mehr ein, und so fickten sie in der Tat gleich da auf dem Teppich - anschließend erkundigte er sich, inwiefern die Geschichte, wie er sie aufgeschrieben hatte, den Tatsachen entsprach und inwiefern, an welchen Stellen, nicht. - "Ach hör doch auf", sagte sie, "laß uns doch erst mal zur Besinnung kommen."

"Warum denn nicht?" - "Willst du es wirklich wissen? Ich dachte es sei nur ein Trick, um mich rumzukriegen." - "Na, so viel Mühe hätte ich mir da nicht zu machen brauchen", meinte er anzüglich. Sie lachte: "Na als erstes fällt mir ein, daß er gar nicht in dem schönen Hotel gleich am Strand gewohnt hat, ich weiß genau, welches du meinst." - "Ach!" - Und ja, sie hätte tatsächlich gesagt 'Bruder!' - der Anfang wär insofern gar nicht so schlecht. Aber die Details - stimmten nicht. Das mit Minos und Kleopatra läge ganz daneben: "Was sollte das überhaupt?" - "Das mit dem cognoscor peccati, dem Kenner aller Sünden?" - "Mit wem?" - "Ja, Minos als cognoscor peccati, eine Stelle aus Dantes commedia." - "Genau das mein ich." - "Ich glaub, ich wollte dem einfach wichtigtuerische Tiefe geben, ein billiger Trick, ich wollt's eben mal probieren." - "Unter der Dusche? Ich glaub du hast wirklich ein Rad ab." - "Und der Rhythmus?" fragte Philipp. - "Rhythmus?" - "Na, das Tempo! Zum Beispiel an der Stelle, wo ihr zusammen zum Hotel geht, das hat sogar für mich einen falschen Klang." Und ob sie nicht erzählen könne, wie er sie angeredet hätte, jener Schwede, ihn interessiere in diesem Zusammenhang alles, bis hin zum Ficken - das wiederum komischerweise nicht. - "So aufgeschrieben ist es doch viel aufregender als in Wirklichkeit", wandte sie ein: "Wenn ichs dir erzähle, klingt es bestimmt nicht so gestelzt; das mit dem Religiösen, Heiliger Antonius etcetera, ist mir ganz fremd, und ohne dieses Gestelze ist es wahrscheinlich nicht mal mehr geil." - "Das ist normal, das Gestelzte ist aber auch Unfähigkeit, vor allem sogar. Vielleicht macht es Einen genau deshalb so leicht geil. Das gleiche gilt für die Religion." - "Ach." - " Und wenn es im Grunde so langweilig war, kannst du es doch genausogut erzählen", stachelte Philipp sie weiter an. - "Also gut", gab sie mit einem Seufzer nach: "Wir waren natürlich oft zusammen am Strand, das weißt du wohl noch." - "Klar." - "Was blieb Einem da sonst schon übrig, die Stadt war so dreckig. Dort haben wir auch den Schweden getroffen, zusammen, und er hatte - ganz richtig - diesen, ich glaube es war ein Schäferhund. Aber dann hast Du Balzac gelesen, nicht ich, die ganze Zeit hast du gelesen; ausgerechnet Balzac, ich meine, wir waren in Marokko, da gab es genug zu sehen - aber nein, du hast dich nie mit mir unterhalten. Da hat er sich was ausgerechnet, klar, und setzte sich zu uns, irgendwann; da warst du nämlich dabei. Es handelte sich nämlich nicht um den Sport, den Spieß umzudrehen, und mit den Männern mal zu machen, was sonst sie mit den Frauen tun. Das hat seine Reize, besonders tief sitzt es nicht. Schon da erzählte er was von seiner berühmten Dusche, da hat er meinen Punkt erwischt. Diesen berühmten Spot gewissermaßen, von dem vor ein paar Jahren so oft die Rede war, du weißt schon. Bei uns - wie hieß das nochmal: in der Medina, du hast es ja geschrieben - ging das Wasser nie richtig, die riesige Steinbadewanne, die wir mitgemietet hatten, stand nur dumm auf einem Podest herum, wie ein idiotisches Ausstellungsstück, moderne Kunst, ich geriet jedesmal in Wut, wenn ich sie sah, das Wasser tröpfelte bloß. Manchmal hat Holger, wenn er allein sein wollte, darin geschlafen." - "Ach Holger, Holger Demant, den hab ich ganz vergessen", sagte Philipp. - "Na ja, damals hatte ich Henna-Muster an Händen und Füßen, die arabischen Frauen von unserem Vermieter haben sie mir, die ganze Zeit kichernd, aufgemalt. Im Inneren des Harems, du verstehst - Männer haben keinen Zutritt: da wird gekichert. In diesen Mustern kam ich mir gefesselt vor, das hat das Interesse des Schweden geweckt - nach dem Motto: Was ist denn das. Er war sauber", sagte sie: "weiße Hose, das Hemd ordentlich, die beruhigende Zuverlässigkeit eines Versicherungsvertreters. Du hast ganz recht, er war kein Däne, an so Einen - kennst du Kierkegaard? - hätt ich mich nicht herangetraut, der wär nach einer Begegnung mit mir vielleicht tot umgefallen. Er war ordentlich gekämmt und würde mir nicht wehtun, das kann ich einschätzen. Ganz anders als der Araber, der mir den Ring verkaufen wollte, den du unbedingt haben wolltest, diesen Ring mit dem kitschigen roten Stein!" - "Ach, hab ich auch ganz vergessen, interessant; hab ich jahrelang getragen, dann war er irgendwie weg." - "Ja, mit dem hätte ich nie was angefangen. Aber ich sollte den Preis runterhandeln, dabei kostete er nicht mal zehn Mark. Hat mich nach hinten geführt, ins Hinterzimmer, wo er mir noch eine besondere Kostbarkeit zeigen wollte - Ha, Ha! Mein ganzer Körper juckte vom Sand, als ich danach allein zum Strand ging. Im Café sah ich noch den merkwürdigen Mann im roten Fes, der mir das Wechselgeld von Tag zu Tag langsamer in die Hand gelegt hat - am Ende entstand dabei eine Innigkeit, ich sags dir, die einer Verschwörung gleichkam, zwischen uns, sehr seltsam, ich fühlte mich tatsächlich als Teil dieser Verschwörung. Wogegen? Keine Ahnung. Na, vielleicht warst nicht nur du damals ein wenig verrückt." - "Aber ich kam mir überhaupt nicht verrückt vor." - "Ist doch jetzt egal, ich dreh dir keinen Strick mehr draus. Ich lag jedenfalls am Strand und überlegte, ob du mich absichtlich mit anderen Männern verkuppeln wolltest, mit diesem Ringverkäufer zum Beispiel, wegen zwei Mark; das war doch Quatsch, wegen sowas groß handeln. Auch in Safi hast du mich mit so einem widerlichen Typen zusammenbringen wollen, einem Bordellbesitzer! Warum hast du das eigentlich immer gemacht?" - "Was ist denn das für eine Geschichte?" - "Ach, das weißt du auch nicht mehr?" - "Na, so wie du es jetzt darstellst, ist es mir jedenfalls fremd." - "Egal, ich hab es nicht herausgefunden. Damals nicht, und später auch nicht. Und die ganze Zeit juckte der Sand, oder das Salz - was juckt da eigentlich? Eine Dusche bei dem Schweden, dachte ich dann plötzlich, dem würden die Augen ausfallen! Wehtun würde er mir schon nicht, gegen diesen Typ Mann kann ich mich leicht wehren. Bei dem Ringverkäufer hatte ich nicht mal dazu Lust. Du hast es ja so gewollt! Ja, das hab ich gedacht, als ich mich auf einmal mit gar nicht mal schlechtem Gewissen auf dem Weg zu seinem Hotel befand." - "Was? Du bist da von ganz allein hingegangen? Er hat dich gar nicht abgeschleppt?" - "Ja, ich brauche das dir doch nicht zu sagen: es war nicht einmal Abgrund, ich hatte keine Ahnung was ich tat, selbst der Abgrund hat ja seine Gesetze - wie irgendwas, sagen wir Familie oder Gesellschaft, was scherten mich diese Gesetze? Natürlich war es auch nur so ein dreckiges Hotel. Ich hatte mir das schon etwas besser vorgestellt. Ich fragte nach dem Namen des Schweden, und irgendwo oben, sagte mir so ein Kerl, und murmelte in miserabelstem Französisch eine Zimmernummer. Empfang, daß ich nicht lache: am liebsten wär der Typ mit mir mitgegangen, um mir ein anderes Zimmer zu zeigen, da hätte er dann damit gerechnet, daß ich ihm gleich an den Sack gehen würde - das sind ja solche Kinder. Aber nein, er blieb feige hinter seinem Tresen und lachte mich aus, wie ich in diesem dreckigen Treppenhaus emporgestiegen bin. Abgrund: gestatte, daß ich lache - Femme fatale, und all das, gibt es doch gar nicht! Bei mir jedenfalls nicht. Und kein Nietzsche: die Wüste wächst, du weißt - Hunger, Durst, Kampf! Nicht mit mir! Ganz düster war es auf dieser Treppe auf einmal nach der Helligkeit draußen, nichts von diesem Licht - auch wenn du es so kitschig beschrieben hast. Wände mit Lackfarbe, verschmierte Stufen, und überall dieser arabische Dreck, in jedem Winkel, auf dem man nicht gern ausrutschen möchte, und dann war ich auch noch zu blöd, das Zimmer zu finden, es war nämlich so dunkel, daß ich die Nummern nicht richtig lesen konnte." - "Welche Nummer war es denn?" - "Bist du verrückt? Hab ich vergessen", sagte sie, "jetzt klopfte mir nämlich doch das Herz, auch ohne hochtrabende Gefühle, ich hatte natürlich keine Lust, wieder zu diesem Trottel an der Rezeption hinunterzudackeln, bloß damit er mich auslachen konnte. Und dann war da doch diese Zimmernummer, so im Dunkeln war ich mir nicht sicher, ob sie stimmte, ich mußte sie mir ertasten, mein Gott, es hätte ja eine unangenehme Überraschung dahinter stecken können - ich sag dir, ich zitterte, als ich anklopfte. - 'Ja, hallo', hörte ich von hinter der Tür, schleimig-freundlich, irgendwie klang das fremd, aber ich wußte nicht, irgendwie war es auch wieder nicht fremd, da bin ich eben einfach reingegangen, trotzdem, fluchtartig, irgendwie auch atemlos, ein wenig wirr, froh vor allem, daß er es war, Gottseidank, er lag mit nacktem, hätte ja auch, stell dir mal vor, ein Wildfremder sein können, Oberkörper auf dem Bett: 'Hallo', hab ich dann selber gesagt und die Tür gleich zugemacht, damit dieser dreckige Gang endlich hinter mir lag, da hat er sich natürlich gewundert: 'Ich wollte mal duschen, nur so!' Ganz cool hab ich das gesagt, ich war richtig stolz auf mich, nach diesem Gezitter. - 'Aha, nur Duschen also', hat er dann anzüglich gegrinst - Dir werd ich dein Grinsen schon vertreiben, hab ich da auf einmal gedacht, im Grunde war er nur mordsverlegen, na ja, kein Wunder eigentlich, plötzlich eine Frau im Zimmer und dazu noch ein so prachtvolles großes Stück Fleisch wie ich, daß er so unsicher gewesen ist. Ja, so wars!" schien sie ihre Erzählung abschließen zu wollen. - "Wie - das wars?" fragte Philipp. - "Ja, so ist es gewesen, so kam es", sagte sie. - "Aber jetzt wird es doch erst interessant?" - "Jetzt erst? Du willst es wohl alles genau wissen?" fragte sie. - "Warum denn nicht? Das ist doch nicht verboten! - Da warst du also bei ihm drin?" - "Ja", sagte sie, "und war froh, daß ich nicht mehr in diesem düsteren Gang war." - "Und der Schäferhund?" - "Keine Ahnung, war irgendwie nicht da. Gottseidank." - "Na - Und dann?" - "Dann stand er auf und zeigte mir die Dusche, ganz hinten in einer Ecke. Es war eng zwischen dem Bett und wo ich stand, er berührte mich irgendwie, als er vorbeiwollte, ich weiß das noch; dann zeigte er mir eine Art Schranktür, hinter der war die Dusche, auch ganz primitiv." - "Und dann?" fragte Philipp bei ihrem erneuten Zögern. - "Und dann!" äffte sie ihn nach, "und dann, und dann, und dann! Na, was schon? Klein war es und eng, dreckig, mit einem Wort: widerlich, und, na ja - Was jetzt? hab ich gedacht und dann irgendwas gesagt wie: 'Ja, dann will ich mal duschen!' Irgend so eine nichtssagende Floskel, und mich dann halb zur Seite gedreht, irgendwas muß man ja sagen, wenn man wie der verkörperte Luxus in so einem Loch steht, und mich ausgezogen." - "Während er daneben stand? Und er?" - "Ja, was soll er schon gemacht haben, ich habs dir doch gesagt: Versicherungsvertreter! Nachdem ich ihm erklärt hab, was ich da mache, ist er an mir vorbei wieder aufs Bett gekrochen. Hat mich dabei nochmal wie unabsichtlich berührt, während ich mir die Sandalen abziehe - unabsichtlich - ich lache! Wie elektrisiert ist er da vor mir zurückgefahren und hat auf dem Bett gleich so getan, als würde er lesen! Flaubert, auf schwedisch! Wie ich mich ausziehe - Lesen! Na ja, hat sich nicht mal getraut, heimlich rüberzugucken." Wieder zögerte sie. - "Und dann?" Sie lachte. "Und dann? Ja, ich weiß auch nicht mehr so genau. Du weißt ja, als Frau soll man alles merken, alles irgendwie mitkriegen, riechen, wo der Braten im Busch liegt, aber um Gottes willen anständig sein dabei; zwar temperamentvoll, anziehend, all das, aber grundanständig, wie mir das stinkt - aber ich weiß es einfach nicht mehr." - "Ach, das kann doch nicht sein!" wandte Philipp ein, "du mußt das doch noch erinnern. Ist doch erst, Gott: fast zwanzig Jahre her. Habt ihr gleich gefickt oder hast du erst noch geduscht?" - "Warum willst du es denn so genau wissen? Das ist doch idiotisch. Nach all dieser Zeit - zum Üben? Das kommt mir lächerlich vor." - "Nein, das finde ich nicht lächerlich." - "Na, gut - also, ja: irgendwann war ich dann in der Dusche. Endlich! sag ich dir. Ich schloß die Tür, aber da war es ganz dunkel, da hab ich sie wieder aufgemacht, einen Schlitz natürlich nur, irgendwas muß man ja sehen. Ich war zu blöde, das Wasser anzukriegen, es war ein irgendwie komischer Hahn. 'Wie geht das Wasser an?' rief ich nach draußen, deshalb, und dann stand er neben mir in der Dusche." - "Und du warst ganz nackt?" - "Ja, was denn, denkst du, ich dusche im Badeanzug?" - "Und er? Dieser im Grunde für dich doch noch immer Wildfremde?" - "Ah, verstehe, da also liegt der Braten im Busch, das Wildfremde also hat es dir angetan. Na, warum nicht: Er war natürlich immer noch angezogen. Hatte jedenfalls eine Hose an. Da war noch ein anderer Hahn, weiter oben, in der Dunkelheit hab ihn nicht gesehen - der, woran ich rumfummelte, hatte nichts zu bedeuten. Vielleicht der Rest eines Bidets, Franzosen haben ja so eine eigene Badekultur. 'Es geht aber nur kalt', hat er dann todesmutig verkündet und mich dabei anzufassen versucht. Nein, nicht anfassen, dazu war er natürlich zu feige, irgendwie verstohlen berührt hat er mich, irgendwo zwischen Hüften und Brüsten, das war sein Stil, reichlich verstohlen - und gehofft, daß ich in Hitze war. Aber mir kam eine kalte Dusche ganz recht: Macht nichts! sagte ich ganz souverän und bin ihm vorsichtig ausgewichen, er war irgendwie nicht so souverän, jedenfalls noch nicht." - "Wie - du bist ihm ausgewichen? Das ist doch unmöglich, in so einem kleinen Kabuff." - "Doch, doch, das geht immer", versicherte sie, "aber dann hat er sich überdeutlich zu diesem komischen Wasserhahn hochgestreckt und mich dabei wieder an den Hüften berührt, wieder auf diese ganz unabsichtliche Art. Ich war damals irgendwie fett." - "Hat dich wieder berührt? Wieso wieder?" fragte Philipp, - "Ach, leg meine Worte doch nicht auf die Goldwaage, was weiß denn ich, ob er mich vorher schon mal und wo genau berührt hat. Das macht dich irgendwie geil, was, dieses Es-ganz-genau-wissen-Wollen, wie?" - "Ja", gab Philipp es ruhig zu. - "Na, dann kam das Wasser", sagte sie, "kalte Dusche, verstehst du, er drehte es gleich wieder ab. Da habe ich 'Aha' oder sowas gesagt und mich von ihm weggedreht, damit er mir nicht gleich in die Fotze greifen könnte." - "Nicht gleich?" - "Na, ich wollte erst mal duschen! Du glaubst gar nicht, wie ich mich fühlte. Dieses Dreckig-Sein, wie sich das anfühlt - wirst du nie verstehen. Er stand immer noch ganz unentschlossen vor mir, er war irgendwie kein richtiger Mann." - "Auf kleinstem Raum, was?" fragte Philipp. - "Ja, auf kleinstem Raum, da hab ich dann einfach selbst das Wasser angedreht. Es war wirklich wie eine kalte Dusche, da ist er ganz bedripst rausgeschlichen. Hat sich wohl mehr versprochen! Noch mal gerettet! hab ich gedacht, als er verschwunden war, die Tür ließ er angelehnt, na, das war ja in Ordnung. - 'Das ist aber ein starker Strahl', hab ich ihm noch nachgerufen, bloß um ihn zu ärgern. - 'Ja, es reicht auch für zwei!' hat er beleidigt zurückgekläfft, und da hab ich gemerkt, daß ich ihn wirklich geärgert habe, ach es war herrlich!" - "Was war herrlich?" fragte Philipp, auf einmal selber verärgert, weil sie wieder nicht weitererzählen wollte. - "Na die Dusche! Nicht so ein Getröpfel, weißt du noch - wie bei uns im Zimmer?" fragte sie. "Ich kann mich überhaupt nicht mehr erinnern", sagte er trotzig. - "Na, in diesem gekachelten Zimmer in der Medina." - "Ja, das weiß ich noch. Ich hab es doch geschrieben." - "Du verstehst es trotzdem nicht, das merk ich schon am Tonfall. Wahrscheinlich weil du selbst immer irgendwie dreckig bist - das war wirklich Wasser, verstehst du, herrliches Wasser, und Seife, dafür hätt ich alles gegeben; das Salz, der Staub, der Sand der letzten Wochen löste sich darin auf, ach das verstehst du nicht, aber ich hab richtig gespürt, wie ich - verzeih mir den Kalauer - neu geboren wurde; oder meine Haut, ist vielleicht etwas besser, neu zu atmen begann! Ja, herrlich, dieses Wasser." - "Bestimmt genug für zwei!" nörgelte Philipp an ihrer plötzlich so selbstsicher auftrumpfenden Begeisterung herum. - "Ja, das hab ich da auf einmal auch gedacht, komisch, wie hast du das gewußt? Bevor ich jedoch lange herumdenken konnte, stand er schon wieder neben mir, nackt diesmal, ganz frech. Und hat dann noch frecher: 'Es reicht doch für zwei!' gesagt, und das stimmte ja, da hatte er mal recht, dieser Versicherungsvertreter." - "Wieso sagst du immer, er wäre Versicherungsvertreter? Er war doch was ganz anderes?" - "Ja irgendwas mit Maler, in der Richtung, aber ich verstehe genug von Malerei - der würde nie und nimmer ein richtiger Maler werden!" - "Und dann?" - "Dann hab ich natürlich 'Nein!' gesagt und er 'Doch!' und ich wieder 'Nein!' - wie das so ist, eigensinnig, wie die Kinder. So stand er vor mir, und wir wußten beide nicht richtig, was wir eigentlich tun sollten - wie nach einem Verkehrsunfall." - "Was?" - "Ja, so fühlte sich das an. Ulkig, nicht wahr? Klar, er war irgendwie gierig auf mich, konnte ich ihm nicht verdenken, in diesem arabischen Dreck, aber es passierte nichts mehr, wie nach einem Verkehrsunfall. Und obwohl ich da gar nicht richtig hingeguckt habe, hatte er schon seinen steifen Schwanz." - "Du hast also hingeguckt!" - "Ach, ich weiß nicht mehr, ich denk mir das eigentlich nur aus. - 'Soll ich das Wasser nicht etwas runterdrehen?' hat er dann, um mich abzulenken, schüchtern tuend gefragt, und ich irgendwie: 'Nein! es ist gut, wie es ist', irgendwas in der Art, aber das reichte natürlich nicht, denn da hat er mich doch endlich gepackt - wär ja ein Wunder gewesen! Ja, und mich, bevor ich was Vernünftiges sagen konnte, an die Wand gedrückt und zu küssen versucht, ich hab sogar gespürt, wie sein Schwanz dabei gegen mich drückte, unangenehm, hab ich da noch gedacht, ich erinnere das, komisch; und dann faselte er was von 'Du bist so schön', etwas in der Klasse, aber bevor ich darüber lachen konnte oder über den zusammengekniffenen schwedischen Akzent, riß er mir ein Bein hoch, völlig unerwartet, ich weiß es noch, so daß ich nur noch auf einem stand und irgendwie wackeln mußte, und da war er schon mit der Hand unten bei mir dran und irgendwie gleich drin." - "Wie irgendwie gleich drin?" - "Na - du willst es ja wirklich genau wissen. Vorhin hast du doch gesagt, daß du es nur bis zum Ficken wissen wolltest? Macht dich das geil?" - "Aber ihr habt bis dahin doch noch gar nicht miteinander gefickt. Oder hast du mich angelogen?" - "Nein, das ging - ich weiß nicht - Ja: Das ging aber schnell! hab ich noch gedacht und 'Laß das!' gerufen, ja, und mich endlich ein bißchen gewehrt, aber dann..." - "Was dann?" - "Na, dann hab ich den Schwanz schon gespürt, in mir drin, na ja, Scheiße! hab ich gedacht: Ich mit meiner Gutmütigkeit, er hat mich ja weiter an die Wand gedrückt und gerade wie ich noch mehr sagen wollte, hat er mir das Bein wieder runtergelassen." - "Wie? Und dabei hat er dich gefickt?" - "Klar hat er mich dabei gefickt, was sollte er sonst tun? Er war phantasielos. Ich hab zuerst gar nichts gemerkt, es nur gespürt - Ach, er fickt mich schon! hab ich gedacht, als ich mit beiden Beinen wieder auf dem Boden stand; anstatt etwas zu sagen, stell dir das mal vor. Ich meine, ich hätte immer noch was sagen können." - "Aber du hast nichts gesagt?" - "Nein, natürlich nicht, ich spürte ja schon, wie ich selber - du weißt schon..." - "Was weiß ich denn? Woher soll ich sowas denn wissen?" - "Na ja, jetzt konnte man es sowieso nicht mehr rückgängig machen, ja, das hab ich gedacht; sollte ich etwa stattdessen zu heulen anfangen, in diesem dreckigen Hotel?" - "Na, und dann?" - "Er will es wirklich ganz genau wissen", sagte Viola auf einmal belustigt wie zu jemandem Dritten, und dann, als hätte sie einen Entschluß gefaßt: "Also hör gut zu, mein Lieber: Dieser dicke Schwanz da stieß in mich hinein, und ich wußte mit einem Mal, daß ich das irgendwie gewollt habe! Ganz genau gewollt! Und dann, hör ganz genau zu: hab ich ihm selbst die Fotze entgegengedrückt, oder wie man das nennen soll, du bist ja der Schriftsteller! Zögernd zuerst, das kannst du mir glauben, weil ich es ja selbst nicht ganz glauben wollte, doch dann hab ich gemerkt, daß ich ihn munter zurückfickte, das wollte ich zwar genau so wenig glauben, aber 'Der Schwanz ist eben drin', hab ich da aufgeregt gedacht und 'Ich bin so doof!' - aber da hat er mir wieder das Bein hochgerissen und in mein instabiles Noch-nicht-ganz-Schwanken hineingefickt, das gefiel ihm anscheinend, eine Art plötzlich fixer Idee von ihm, wie das manchmal so ist, auch die Schweden haben da offenbar eine gewisse das Geniale streifende Erfindungskraft, und jetzt hab ich mich natürlich selbst bewegt, daß es mir gefiel - ach, er war so aufgeregt." - "Na ja, so genau will ich es vielleicht doch nicht wissen." sagte Philipp unerwartet verstimmt. - "Warum denn nicht?" war nun Viola hartnäckig: "Wer A sagt, muß auch B sagen können, mein Lieber, entschuldige, aber so ist es nun mal! Ich versteh schon, daß du es gern klassischer hättest, in der Art von: 'Kein Schmerz ist größer, als im Elend Zeiten des Glücks zu erinnern', ha, ha, bei fremdem Glück ist das offenbar noch schlimmer, klassisch eben, aber es trifft in diesem Fall nun einmal nicht zu - Typ Sportficker, wie gesagt, amüsant: das kalte Wasser lief ihm dabei über den Rücken, sah gut aus, im Halbdunkel, wie das floß. Klar fickten wir jetzt richtig, und dann gingen wir ins Bett. Er hat mich auf dem Weg dahin die ganze Zeit umarmt, muß ihm endlos vorgekommen sein, die kurze Strecke, nicht mal drei Meter, wahnsinnig lang; auch als ich mich abtrocknete, hat er mich umarmt, als hätte er Angst, mich sonst zu verlieren, diese Männer. Madame Bovary! Ha! Also, wenn ich eins weiß, ist es sicher dies: Madame Bovary bin ich nicht! Und nie gewesen! Na, vielleicht wär ich sonst wirklich gleich gegangen - meine Haut war jetzt ganz fest und straff und braungebrannt, verstehst du, gutgelaunt irgendwie, ja! Verstehst du das?" lächelte sie ihn an: "- wie jetzt!" - "Was? Jetzt bist du auch gut gelaunt?" - "Ja, höre und staune! Klar! Das macht man nicht alle Tage! Nach dem Abtrocknen war ich schon wieder eng und fest, du glaubst gar nicht, wie schnell das geht, da kann man eigentlich gar nicht ficken. Doch dann hat er mich, sobald ich trocken war, einfach auf den Rücken gelegt, er nahm mir ganz langsam die Beine auseinander; ja, ganz langsam, das machte er schön", sagte sie, plötzlich überraschend verträumt, und wie Philipp nichts dazu bemerken wollte: "Und dann glitt es ganz langsam in mich hinein, dafür war ich ihm dankbar, glaub mir; daß er das schaffte, ohne daß es im geringsten wehtat . . . ganz, ganz langsam, wunderbar!" Philipp interessierte dieser Teil wirklich nicht mehr - wieso eigentlich? Aber ihr schien es ähnlich zu gehen, vielleicht sah sie auch, daß er genug hatte: "Na, ja, jetzt wollte auch ich nicht mehr zurück, wie das so ist", huschte sie großzügig über die Details hinweg: "das andere vergißt man immer so schnell. Klar, er hat mich dann irgendwie gefickt, schnell, und dann noch schneller; und das war es dann - Typ Sportficker! Ich hab es ja schon gesagt", wiederholte sie achselzuckend, "und dann war es eben vorbei."


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