K. Wyborny

zur Arbeit an "Pictures of the Lost Word" und Strategien zu ihrer Verbesserung

aus "Gespräch mit Klaus Wyborny - Die Grammatik der Welteroberung" in "Filmkritik 10 / 79 S. 564 ff.

an dem Gespräch nahmen teil Hartmut Bitomsky, Harun Farocki, Gretel Kemeny, Margit Theurer und Karl Heinz Wegmann


Frage: "In deinem Film Pictures of the Lost Word sagst du, du hättest vorgehabt, wie am Fließband zu arbeiten, wie die Frauen, die Transistorradios zusammenlöten, oder wie die Ingenieure, die solche Programme für das Fließband entwickeln. Hast du so gearbeitet?"

Wenn du einen Film anguckst, dann hast du Einzelbilder, und wenn du dir ein System ausdenkst, mit dem die Bilder gefüllt werden, wenn du mit Einzelbildschaltungen arbeitest, dann hat das etwas von Fließband an sich. Ein Bild von dem, ein Bild von was anderem, ein Bild von dem. Diese Arbeit ist wie Fließbandarbeit. Auch die Ermüdungserscheinungen sind ähnlich.

Bei Pictures of the Lost Word hab ich viel mit Permutationen gearbeitet, und Permutationen sind ja nicht unbedingt etwas, das man der kreativen Intelligenz zurechnen möchte. Sie wurden im 16. oder 17. Jahrhundert erforscht, und im 19. Jahrhu8ndert gabs noch ein bißchen Gruppentheorie dazu, und damit hat sich das gehabt. Man kommt sich nicht unbedingt originell vor, wenn man jetzt mit Permutationen arbeitet, sagen wir mal mit Triaden, mit Dreierpermutationen.

"Was heißt das?"

Wenn du drei Sachen hast, gibt es sechs Permutationen: 1,2, 3 -- 2,3,1 -- 3,1,2 -- usw. Das kannst du als Struktur für einen Film nehmen.

"Du hast während der Zeit von 'Pictuires' als Fahrer gearbeitet. Hast du da jeden Tag aufgenommen, was sich so ergab?"

Als Fahrer macht man bestimmte Törns, und die anderen Fahrer achten darauf, daß man nicht zu schnell ist. Ich hab immer anhalten können, wenn mir etwas gefiel.

Ich hatte aber nur sehr lockere Kriterien, wie Industrielandschaften oder Landschaften, die stark von Agrikultur bestimmt sind. Ein relativ zufälliger Prozeß. Natürlich habe ich mir überlegt, wie etwas mit dem Vorherigen zusammengehen könnte, so daß gewissermaßen Sätze entstehen, die zusammenhängen.

Aber während dieser Zeit als Fahrer ist eigentlich nur wenig gemacht worden, die zeitliche Länge täuscht. .Die schnellen Passagen, in denen die Länge der Einstellungen bis zum Einzebild genau bestimmt ist, habe ich vorher gemacht. Das war wirklich Fließbandarbeit gewesen. Um zwei Minuten Film herzustellen, mußt du acht Stunden arbeiten. Damals kam mir das unheimlich anstrengend vor, heute würde es ein Klacks für mich sein. Inzwischen ist meine Fließbandtechnik so gut, daß ich sehr viel mehr herstellen kann.

Was ich jetzt in acht Stunden schaffe, sind wirklich komplizierte Sachen, die ich damals gar nicht hätte anpeilen können.

"Denkst du daran, das zu programmieren?"

Was ich programmieren möchte, ist die Bildlänge bei der Aufnahme. Nach sechs Einzelbildern zum Beipsiel hält die Kamera an, und ich moduliere während dieser viertel Sekunde das Bild: mit einer Abblende oder einer Handkamerabewegung oder dergleichen.

Ich stelle mir eine sehr einfache Maschine vor, die die Kamera nach einer bestimmten Bildzeit stoppt. Den Rest muß ich per Hand machen. Mir gefällt nicht, daß ich mimentan dauernd zählen muß und dadurch praktisch auf das Stativ angewiesen bin. Das ganz kriegt eine bestimmte Starrheit, die mir nicht mehr gefällt. Ich möchte das elastischer hinbekommen und auch den Aspekt von technischer Virtuosität und manueller Geschicklichkeit in der Bildmodulation stärker herausbringen, so daß es nichts so sehr ein bürokratsiches oder intellektuelles Probem wird, sondern ein manuell erfühltes.

"In der Musik werden durch die Notation bestimmte Maße festgelegt, von denen in der Aufführung immer abgwichen wird. Diese Abweichungen sind mehr die Musik als das, was niedergeschieben und gemessen wurde. Von einer vorgefertigten strarren Programmierung kann man nicht abweichen."

Es kommt drauf an, wie starr man das macht, wie starr man schreibt. Du kannst z.B. sagen: erste Einstellung vier Einzelbilder lang, nächste Einstellung wieder vier Einzelbilder, vier Bilder, vier Bilder, vier Bilder. Das wäre ein ganz simpler Rhythmus. Oder du sagts: vier Bilder, dann zwei, zwei, vier, zwei, zwei; oder auch: fünf, vier, drei, vier, fünf, sechs ... Da geht natürlich Forschungsarbeit ein. Du mußt herausfinden, was das auf der Ebene der Bilder bedeutet, wie solche Sachen überhaupt wahrgenommen werden, was sich durch kleine Abweichungen verändert ....