Gobsek-Film
zeigt
K. Wyborny´s
AUS DEM ZEITALTER DES ÜBERMUTS
(DICHTUNG UND WAHRHEIT)
In Memory of Hollis Frampton
(DREHBUCH)
Credits
Subtitles of the English version
Rolle1
Ich weiß nicht, vielleicht beginnt die eigentliche
Geschichte eines Mannes ja wirklich mit dem Abschied von einer
Mutter.
Mich jedenfalls zog es hinaus auf die See. Die ganze Welt wollte
ich damals umarmen.
- Barcelona1
- Stiller Seemann 1
Die ganze Welt - Barcelona!
- Barcelona 2
Ja, Szenen, die ich erlebt und Orte, die ich gesehen habe, das,
ach ja, ist Biographie, ist - meine - Biographie!
- Seefahrt 1
Und doch beschreibe ich eigentlich bloß mein Gedächtnis.
- Stiller Seemann 2
Mit Bildern von Orten, an denen es sich aufgehalten hat,
- Seefahrt 2
an ihnen kann es sich nun messen. Ja, ich habe Orte gesehen und
Menschen verändert, so viele Orte - so viele Küsten,
Städte, Häfen - Pyramiden!
- Chefrenpyramide 1
Und damals fühlte ich häufig wie eine Pyramide.
(Musik hört auf)
Heute
(Abblende beginnt)
fühle ich mich nur noch wie ein Baum im Frühling.
- G14-1
(Ende,drei senkrechte Stämme)
Ja, Baum im Frühling, kahl nur noch, und doch auch voller
Saft und schrecklich lebenwollender Kraft und bevor ihm Zweige
und Blätter aus den Ästen platzen.
- G15-1
(nach Abblende)
Oh, ihr Häfen meiner Jugend
- Hafenbecken Barcelona
- G13-1
(nach Abblende)
Doch erst einmal ging es munter hinaus auf die See,
- Seeman von hinten bekommt Besuch,
- Seemann schaut Oberschüler an
Ach - oh ja! Ich sah - die See!
- Suva
(Abblende Kaufhaus)
Anfang der siebziger Jahre überredete mich eine Zufallsbekanntschaft
in der Bierstube Ganz,
- 72-2 Bierstube Ganz
auf diesen Bildern hier verloren unter blaugestreiften Planen,
mit ihr nach Ägypten zu fahren.
Sie bot mir an, die Reise zu bezahlen, wenn ich mit ihr auf den
Spitzen von ein paar Pyramiden ficken würde.
- drei Ansichten der Hafeneinfahrt von Mombasa
Ich sehnte mich damals nach Freundschaft und so etwas kann ja
der Beginn einer wirklichen Freundschaft sein.
- 72-2 Bierstube Ganz2
Nun,
(flaches Gebäude)
die Bierstube Ganz gibt es nicht mehr. Wo sich früher in
einem barackenähnlichen flachen Gebilde die Halbverrückten
versammelten, erhebt sich heute ein postmoderner Rundbau, in dem
Blumen und orientalische Kleinodien verkauft werden.
- Kreuzung Bierstube Ganz
So etwas geschieht eben mit den Orten, wenn unsere Gefühle
sie verlassen haben.
(nach Abblende)
Luise dagegen hatte noch Gefühle und weinte, als sie die
große Pyramide des Cheops sah,
- 72-3 Cheopspyramide
doch angesichts der vielen Touristen, die uns zuschauen würden,
mußten wir unseren kühnen Plan erst einmal aufgeben.
Deprimiert schliefen wir in voneinander getrennten Betten.
(nach Abblende)
Glücklicherweise gab es in Ägypten noch sehr viel mehr
Pyramiden, die meisten schimpften sich freilich nur so und waren
nur noch Trümmerhaufen wie hier zum Beispiel der des Unnas
oder hier die Pyramide des Userkaf.
- Unnas
- Userkaf
- Djoser lange Einstellung
Beeindruckend fand ich allerdings die Stufenpyramide des Djoser
in Sakkarrah. Sie ist das älteste Großbauwerk Ägyptens.
Die uns vertraute Pyramidenform entstand, weil eine neue Generation
von Baumeistern das drängende Bedürfnis in sich spürte,
die Stufen mit schrägen Flächen zu verkleiden.
- 75-1 Pyramide des Unnas
Als wir schließlich im Trümmerfeld der Pyramide des
Unnas gleich neben der Stufenpyramide fickten, war es für
Luise enttäuschend. Nicht nur standen wir auf keiner Spitze,
nein, die Gegend erinnerte sie an ihre Jugend im Nachkriegsberlin.
Ich dagegen kam mir gerade in diesem Durcheinander großartig
vor. Dabei konnte ich damals in den uns umgebenden Trümmerresten
nicht einmal das Fundament der Pyramide von Sekhem-khet erkennen.
(bei Abblende)
Ach, Freundschaft - du bist verwegen - verwegen und doch auch
nur ein Blatt im Wind.
- Blatt im Wind 2
- Seemann
- Blatt im Wind weiter
Immerhin verloren wir dabei unsere Ängstlichkeit und versuchten
es noch einmal bei den großen Pyramiden. In Frage kam allerdings
nur die des Chefren,
- Chefrenpyramide
denn die Pyramide des Cheops war durch den Versuch des Kalifen
El-Mamun, sie von oben her abzutragen, verschandelt. Schon im
zehnten Jahrhundert konnten dort oben zehn Kamele,
- Cheopspyramide
wie El-Haukali schrieb, nicht nur stehen sondern sogar niederknien.
- Chefrenpyramide mit Abblende
Als wir auf die Chefrenpyramide hinaufklettern wollten, wurden
wir jedoch von Souvenirverkäufern daran gehindert,
- Blatt im Wind
und so fickten wir stattdessen in der Nische, die Kalif Othman
im dreizehnten Jahrhundert im Laufe von acht Monaten mit zehntausend
Mann
- mehrere Einstellungen des Lochs
in die danebenstehende kleine Pyramide des Mykerios geschlagen
hatte, weil ihre heidnische Existenz Gott beleidigte und er sie
auf andere Weise als der gescheiterte El-Mamun dem Erdboden gleichzumachen
versuchte.
- Abblende aus dem Mykerios-Stück
Als ich Luises Verlangen an der Größe der Cheopspyramide
messen wollte, nahm ich die schräge Linie ihrer Seitenkante
wegen der verdrehten Stellung, in der wir uns befanden, auf einmal
als
- Aufnahmen mit gedrehten Pyramiden.
gerade und horizontal wahr. Plötzlich glaubte ich, das Geheimnis
der Pyramiden entschlüsselt zu haben - es bestand in der
entschlossenen Schrägheit ihrer Linien. Das setzte sie in
wunderbaren Gegensatz zur Natur.
(Dreiergruppe)
Ach, die Natur!
- 2 Aufnahmen Stadtpark mit Abblende.
Grauenhaft und kunstfeinlich an der Natur ist ja, wie Bilder von
ihr an den Rändern ausfransen und dem ästhetischen Empfinden
keinen Halt zu bieten verstehen. Könnte man dem durch einen
energischen Akt
- Einstellung von Pyramiden symmetrisch aus Mykeriosstück
ganz kurz
zu Halt verhelfen?
- Schwenk mit vertikaler und Busch Musikhochschule
Nein, die Natur
(in Abblende)
kennt keine entschlossen schrägen Linien.
- G23-1 Park vom Rasen
- Oberschüler
- Seemann
- Oberschüler
- Blick auf Bucht 3 mal
Als wir danach mutiger geworden
- Djoser 71-1
auf der Stufenpyramide des Djoser fickten, wurde mir auf einmal
klar, daß dieses Gebäude 4600 Jahre alt war und bekam
doch etwas Ehrfurcht. Denn wenn sich nur jedes halbe Jahr jemand
wie wir nach hier oben begeben hätte, wären wir das
neuntausendzweihundertste Paar, das sich hier weit über der
Welt fühlte und von niemandem gesehen daran berauschte.
(letzte Einstellung)
Danach befickten wir in aller Ruhe das in der Nähe liegende
Pyramidenfeld von Abusir, zu dem nie Touristen kamen. Doch wie
ich Luise dabei sehnsüchtig nach Süden blicken sah,
wo sich neben der roten Pyramide Snofrus auch seine Knickpyramide
aus dem Dunst erhob,
- Blick von Djoser nach Norden
begriff ich, daß sie nun nach Aufregenderem verlangte. "Die
Knickpyramide! Die Knickpyramide!" flüsterte sie, während
ich sie noch von hinten zu erregen versuchte,
- nach Süden - zwei Pyramiden
ja, sie hatte sich Perverserem geöffnet -
- nach Norden Abblende
Ach, was ist der Mensch da schon dem Menschen.
- G11-1 Lärchen
(letzter: einzelner schräger Baum)
Obwohl mir Perversionen im Grunde heftig gegen den Strich gehen,
ging ich doch auf ihr Verlangen ein, denn ich wollte, daß
wir bekannt werden für unsere Freundschaft - um Freundschaft
und gemeinsames Glück bilden sich ja immer Legenden.
- G12-1
(Abblende)
"Dem Himmel wachs entgegen
der Baum, der Erde Stolz
Ihr Wetter, Sturm und Regen
Verschont das heilge Holz."
- G16-1 Buchen mit Blättern
- Seemann erzählt:
"Ja ich bin nunmal ein Seemann,
und seit sieben Jahren hab ich auf sieben Ozeanen
die sieben Kontinente umfahren"
- Oberschüler hört zu
"Stürme schüttelten mir die Glieder
tropische Flauten trieben mir Schweiß in die Poren"
- Die See hört es sich an
"Küsten, Wolken und Häfen überstrich mein
Blick
und doch sah ich eigentlich nichts"
- Seemann:
"Was ich wahrnahm, war ein Gedankenkarrussell, das meine
Blicke umkreist,
kreischend gewaltiger als Wirklichkeit selbst,
die nur noch als Karikatur vor sich hinvegetiert"
- G17-1 Lärchen
(In Abblende)
Tja, Luise.
- Akte von Luise
- 74-1 Pyramide des Userkaf
Im Trümmerfeld der Pyramide des Userkaf versuchte ich sie
noch einmal an die Reinheit ihrer Kindheit in Berlin und die Essenz
ihrer Idee zu erinnern, aber sie wollte in so etwas nicht mehr
gefickt werden. Sie wollte zur Knickpyramide.
(roter Cluster)
Die Knickpyramide lag in einem militärischen Sperrbezirk.
Ich ließ meine Kamera im Hotel, weil ich nicht wegen einer
Kamera erschossen werden wollte. Luise dagegen war zu allem entschlossen,
und fickte mit einem Wachtposten, damit er uns zur Pyramide durchließe.
Als er sie danach auslachte und uns nicht ins Sperrgebiet ließ,
war sie als Frau verändert. Bisher war sie immer nur seriösen
Männern meines Typs begegnet.
- G18-1
(Letzte Einstellung)
So impulsiv sie das Unternehmen begonnen hatte, so impulsiv gab
sie es jetzt auf. Wie Melville wollte sie nun nach Jerusalem,
doch dorthin mochte ich ihr nicht mehr folgen.
- Akte Luise II
In einem gewissen Sinn hat unser beider Leben an diesem Tag wie
von der Gestalt dieser Pyramide angestoßen einen Knick bekommen,
- Knickpyramide
und ich hatte nur dieses eine Bild von diesem Symbol unseres Scheiterns
gemacht. Mit einem Taschengeld ließ sie mich an der Landstraße
sitzen. Wahrscheinlich wollte sie sich so an mir für das
rächen, was der Wachtposten ihr angetan hatte.
- G19-1
(in Abblende)
Snofru begann die Knickpyramide fünfzig Jahre nach Djosers
Stufenpyramide gleichzeitig mit der für seinen Schwiegervater
bestimmten Stufenpyramide von Madun zu bauen. Beide hatten einen
Neigungswinkel von 53 Grad.
- G1A-1:
Als das Bauwerk von Madun wegen seiner Steilheit noch während
seiner Errichtung bei einem Erdbeben in sich zusammensackte, entschloß
man sich die andere Pyramide mit einem flacheren Neigungswinkel
zu beenden. Darum hat die Knickpyramide in knapp 50 m Höhe
einen Knick.
Weil Snofru nicht in einer geknickten Pyramide begraben sein wollte,
baute er noch eine weitere Pyramide, nun aber gleich mit dem vorsichtigen
Neigungswinkel von 43 Grad.
(in Abblende von Gabel)
Er war der einzige Pharao, der drei Pyramiden bauen ließ.
Luise gefiel diese rot genannte Pyramide nicht, sie war ihr nicht
steil genug.
- die rote Pyramide
Dennoch hätten die wieder fünfzig Jahre später
errichteten steileren großen Pyramiden von Gizeh ohne Snofrus
ernüchternde Erfahrungen kaum errichtet werden können.
Ach, was sind schon zwei mal 50 Jahre.
- G1B-1
Von Luise habe ich nie wieder gehört. Sie führte ein
riskantes Leben. Ich habe mir aber einen Höllenrespekt vor
ihr bewahrt, und vor ihrer Art, einer Idee zu Gestalt zu verhelfen.
(Letzte Einstellung)
Ich gab den Gedanken auf, durch Freundschaft zur Legende werden
zu wollen, und fuhr stattdessen weiter nach Süden.
(am Ende der Abblende)
Ohne Freundschaft freilich wird ein Leben sehr schnell leer.
- G1C-1
Letzten Endes verdanke ich ihr die Idee, die Kamera in meinen
Filmen schief zu halten - denn wenn selbst eine Pyramide geknickt
werden konnte, und das schon vor 5000 Jahren, warum sollte dann
nicht ich - und heute - und um so meine überlegene Menschlichkeit
zu beweisen eine Landschaft kippen und aus dem Lot bringen dürfen?
Durch dieses Kippen der Kamera würden endlich entschlossene
Schrägen in meinen Bildern entstehen, Schrägen wie bei
einer Pyramide. Der Mensch ist doch frei!
(Abblende)
Im Inneren Afrikas experimentierte ich mit dieser neuen Technik
und filmte damit Flamingos. Dort stellte sich allerdings sofort
die schon angerissene Frage, ob die reine Natur überhaupt
Gegenstand einer künstlerischen Auseinandersetzung sein konnte.
- 72-1 Flamingos
( Abblende)
Ich gewann mein Selbstbewußtsein erst wieder, als ich in
einer prähistorischen Siedlung über dem Lake Elmenteita
einen eine Millionen Jahre alten Faustkeil in der Hand hielt.
- 75-2 Lake Elmenteita
So ein Faustkeil war deutlich älter und handlicher als eine
Pyramide. Sein menschliches Maß versöhnte mich wieder
mit dem Menschlichen. Doch was bedeutet es schon, wenn man mit
so einem Faustkeil in der Hand an so einem Ort ist, wenn man es
allein ist.
(Abblende)
Als ich ihn deprimiert in Richtung des Sees in eine dort liegende
Fabrik schleudern wollte, mußte ich plötzlich an meine
Tante Veronika denken, die ein Bild immer dann schön genannt
hatte, wenn in ihm Blumen zu sehen war. Hier gab es zwar keine
Blumen zu sehen,
- G23-2 Tante mit Blumen
aber Tante Veronika war die erste fremde Frau, der ich mit einigem
Erfolg zwischen die Beine geguckt habe.
Einen Sommer lang war ich geradezu besessen davon, ihr unter den
Rock zu schauen, nur um zu sehen, ob sie darunter etwas anhatte
- in diesem Sommer las sie "Vom Winde verweht". Soll
ich ernstlich behaupten, daß so etwas keinen Einfluß
auf meine spätere Ästhetik hatte?
(Abblende)
Richtig von Luise zu befreien gelang mir erst Jahre später
in Stonehenge, als ich in einer Mitsommernacht mit viertausend
anderen Menschen kollektiv masturbierte.
- Stonehenge 3 Einstellungen
Danach ließ mein Interesse an Sex unter freiem Himmel und
diese merkwürdige Kopplung an Kulturdenkmäler merkbar
nach. Damals in Afrika war ich aber noch entschlossen, die Natur
mit meiner Kameramannskraft zu zähmen, vielleicht weil ich
so auch mein eigenes Innere zähmen zu können hoffte.
- 71-2 Lake Nakuru View
Ich wollte ihm nicht so verfallen wie Luise. Denn die Welt ist
nämlich auch schön.
- Hafeneinfahrt, Seemann im off:
"Ja sieben Jahre hab ich die Ozeane befahren,
ein seekranker Seeman,
und gesehen hab ich da eigentlich nichts."
Immer noch jedoch läuft mir ein Schauer den Rücken herunter,
wenn ich Bilder von Pyramiden sehe.
- 73-2 Chefrenpyramide
Was ich Luise auch heute noch hoch anrechne, ist, daß sie
sich von der äußeren Gestalt der Pyramiden hat leiten
lassen und nicht feige von den albernen Gräbern im Innen.
Ich weiß letztendendes nicht, was sie dort oben gesucht
hat, mich interessierte nur die Schrägheit dieser Linien.
(in Abblende)
Aber ebensowenig weiß ich, wieso ich so oft an meine Tante
denken muß. Wer wollte behaupten, daß meine Flucht
in schräge Linien und auf die See nichts mit ihr zu tun hätte?
Ja was war das mit der Natur? War sie wirklich nur schön,
weil ein paar Vögel in ihr herumflogen oder sich ein paar
Blumen in ihr befanden?
- G27-2 Blumen im Park
- Der Oberschüler spricht:
"Ja! Auch ich fühle mich bin ein Seemann,
der sieben Jahre die sieben Kontinente
auf sieben Ozeanen umfuhr."
- Seemann hört zu:
"Stürme schüttelten mir die Glieder"
-Landkarte mit Messer
"und tropische Flauten trieben mir Schweiß in die Poren"
- Seemann hört zu:
"Küsten, wolken und Häfen überstrich mein
Blick,"
- Landkarte
doch gesehen habe ich nix."
- G11-2
Oh, diese vielen Orte, an denen wir einmal empfunden haben.
(verknoteter Baum)
Einsam, dachte ich damals oft, ich bin nicht einsam!
(Abblende)
Und was geschieht eigentlich in uns mit den Bildern der Orte,
an denen wir einmal gewesen sind?
- G12-2
Jetzt zum Beispiel begreife ich mich als Natur, soviel immerhin
kann ich diesen zuletzt von mir gemachten Bildern entnehmen,
(Knotenbaum)
vor zehn Jahren noch war ich eher Gebäude.
Ja, da begriff ich mich als Gebäude, das in der Welt errichtet
wurde, um ihr zu gefallen. Ich wollte die Pyramiden sehen und
wurde zur Pyramide. Ach, armselig, wie der Fussel in diesem Projektor,
(Fussel)
kommen mir nun Pyramiden vor verglichen mit einem einfachen Baum.
- G13-2 Birken
- Der Oberschüler fährt fort:
"Was ich wahrnahm, war ein Gedankenkarrussell,
das meine Blicke umkreist,
kreischend gewaltiger als Wirklichkeit selbst,
die nur noch als Karikatur vor sich hinvegetiert"
- Hafeneinfahrt Mombasa stumm
- G2D-1 große Baustelle Marinehof
(letzte Einstellung)
Gedichte, Lieder und Stücke wollte ich dann schreiben, um
mehr zu tun, als der Welt bloß zu gefallen, ich glaube,
ich wollte beeindrucken, vielleicht wollte ich auch nur Luise
vergessen.
- Baum
"Erinnre dich, erinnre dich, vager Gedanke", begann
eins dieser Gedichte,
"verrat mir das Zucken deiner Substanz."
- Baum nah
"Vorfrühlingshaftes Geäst.
Du Kraft - Verrate mir Welt!"
So jedenfalls fing glaube ich,
- die Pappel hoch
dieses Gedicht, von dem nur noch diese Bilder übrig sind,
an, um dann empört fortzufahren:
"Mit welcher Kühnheit streckt sich Gebäum
Dem Himmel entgegen."
- Detail der Pappel
"Blase Wind, blas das Geäst der Dreisten herab."
- Baum mittel
"Hier, wo ich bin,
In ewiger Kleinheit verfangen,"
- Vogelbeerbaum
"bist du, bist du"
- Rotbuche
- Pappelkrone
"verwegenes Licht."
so schloß das Gedicht, wenn ich mich richtig erinnere -
es ist unglaublich, wie lange man bis zu der Einsicht braucht,
daß einem etwas zum Dichter fehlt, auch das hat irgendwas
zu bedeuten, ich weiß nicht was, doch mich trieb diese Erkenntnis
hilflos wieder auf See.
- G21-1 Wellen
(letzte Einstellung)
Ein Maschinenschaden führte uns nach Rimini, wo mich das
Interesse verblüffte, mit dem Patricia die mütterlichen
Formen eines von Augustus erbauten Triumphbogens studierte.
- G26-1 Bogen des Augustus
(letzte Einstellung)
Nicht weit vom Bogen des Augustus gab es noch eine Brücke
des Tiberius. Tiberius, sagte mir Patricia, war der Sohn des Augustus
und ein so leidenschaftlicher Brückenbauer, daß er
sich im hohen Alter
- Brücke flach
anscheinend selbst wie eine Brücke fühlte, denn er stellte
sich breitbeinig in hüfthohes Wasser und ließ Knaben
zwischen seinen Schenkeln durchschwimmen,
- Brücke steil
die ihm dabei die Eier lecken mußten - eine Brücke
er selbst!
(In Abblende):
Nun, dieser
- Brücke schräg
Tiberius war lange tot und in mir inzwischen soviel abgestorben,
- Brücke steil
daß ich keine Stücke mehr schreiben wollte, in denen
Gestalten seines Typs eine Rolle spielten.
(Abblende)
Dennoch mußte ich abends im Hotel mit Bedauern an ein Versprechen
denken, das ich nicht habe einhalten können,
- Brücke flach
vielleicht war es das letzte, das ich überhaupt jemandem
gegeben haben werde.
(Abblende)
Es war an einem Tisch vor einer Art Imbiss hinter dem Hamburger
Fischmarkt
- G28-1 Fischmarkt
auch so ein Ort, den die Gefühle verlassen haben.
Wie in Piräus fühlte ich mich seltsamerweise dort an
diesem Tisch, an diesem warmen Abend, auch wenn man das diesen
Bildern überhaupt nicht ansehen kann, vielleicht war es,
weil ich damals noch nicht in Piräus gewesen bin, an diesem
Abend aber wollten wir beide dorthin.
(letzte Einstellung)
Irgendwie ist dieses Versprechen bei den Umbaumaßnahmen
zur Stabilisierung meines Lebens verloren gegangen, ich kann es
jedenfalls nicht mehr in mir entdecken, und schon gar nicht gelang
es mir in dieser Nacht,
- 25-2 halbe Brücke vor Marinehof
ja, je mehr ich es mir wieder zu vergegenwärtigen suchte,
desto mehr vermischten sich meine Erinnerungen mit Bruchstücken
von der Brücke des Tiberius.
Ja, ich erinnere mich, dachte ich im Traum, und ach, was eigentlich
bedeutet dem Leben Erinnerung.
(in Abblende)
In einem der Stücke, die ich noch erinnere, traf ich zum
Beispiel spät nachts in einer Diskothek
- Brücke des Tiberius
eine Portugiesin - die Diskothek hieß "Nach Acht",
- Nach 8
auf diesem Bild hier unerkennbar hinter diesen idiotisch schrägen
Farbstreifen. Wir kannten uns über einen Freund
- Brücke des Tiberius
und irgendwann würfelten wir, ob wir miteinander schlafen
sollten.
- nach 8
Sie bezeichnete sich wegen meines größeren Glücks
als meinen Gewinn.
- Bäume, Bäume, Mittelweg,
Es regnete, und wie wir den Mittelweg hinuntergingen, wurden wir
allmahlich naß.
- Brücke des Tiberius
Was willst du eigentlich von mir, fragte sie plötzlich. Als
ich so tat, als würde ich es nicht wissen,
- Kreuzung
wollte sie auf einmal nicht mehr mitkommen. Na gut, sagte ich,
dann warte ich noch mit dir auf ein Taxi.
- Nach 8:
Auch das "Nach 8" gibt es nicht mehr, sein Besitzer
hat sich aufgehängt und in seinen Räumen befindet sich
jetzt eine Versicherungsgesellschaft. Wir warteten vor, glaube
ich, einem Möbelgeschäft. Ein Polizeiauto fuhr vorbei,
- Auto fährt vorbei
ja, jetzt erinnere ich mich.
- G29-1 Portugiesin am Mittelweg
(letzte Einstellung)
An dieser Kreuzung hatte ich schon einmal ein Erlebnis, in dem
ein Taxi eine Rolle spielte. Ich arbeitete damals als Programmierer
bei komischerweise auch einer Versicherung.
(in Abblende)
Als ich von der Arbeit nach Hause kam, war Daniel bei uns zu Besuch.
- Haus
Wir redeten ein bißchen und wollten dann ins Kino. An der
Ecke Alte Rabenstraße Mittelweg gab es einen Taxenstand,
bei dem wir auf ein Taxi warteten.
- Taxistand mit Säule
Plötzlich klingelte es in der Säule.
- Taxistand nah mit Ton
und eine Stimme quakte heraus. "Hier ist die Sauna Ding Dang
Dong, Dr. X will ein Taxi." "Wir kommen, kommen sofort,"
riefen wir in die Säule hinein.
- Taxistand total
Daniel wollte aber irgendwie nicht mit ins Kino. Als ein Taxi
kam, fuhr ich mit Hannes und Christoph in einen französischen
Film, das sind die besten.
- Fahrt an der Moorweide vorbei
Das Taxi fuhr an der Moorweidenwiese vorbei.
(In Abblende)
Allmählich kommt mir das alles wieder ins Gedächtnis.
- 73-1 Essouira Fort
(in Abblende)
Irgendwann im September, hatte ich in einem anderen Stück
über diese Wiese geschrieben, ging ich mit Christoph und
Hannes über die Moorweise in Richtung Dammtor, ich weiß
nicht wohin.
- Moorweide 2
Die Sonne schien und der Rasen fühlte sich weich an unter
den Füßen. Ah, da spürte ich auf einmal wieder
Kraft in so vielen Teilen meines Körpers.
- Fußstapfen 1
Das also ist sie, dachte ich, die Genesung.
Und nun wartete ich wieder an dieser Kreuzung
- Kreuzung eins (hinter Danielhaus)
und strich einer Portugiesin über die Hüften. Auf einmal
jedoch rührte sich etwas in ihr, denn sie umfasste mich unvermutet
heftig und schob sich meine Hand zwischen die Beine.
- Ampel groß grün mit Abblende
Sie hatte nichts an unter dem Rock. Mit dem Rücken an der
Ampel drückte sie meine Finger in sich hinein. Sie war zwar
nicht gerade feucht, aber es war ziemlich geräumig.
- andere Straßenseite
"Ich habe dich schon vor 5 Jahren gekannt," sagte sie
plötzlich wütend und versuchte mir den Schwanz aus der
Hose zu ziehen - "damals wolltest du nichts von mir wissen."
zwischen den Ampelmasten Mittelweg nach Norden harter Schnitt
Ich konnte mich nicht an sie erinnern. Sie war zu klein für
mich und so kamen wir nicht zusammen. Das Polizeiauto fuhr wieder
vorbei
- Hubschrauber
Plötzlich mußte ich an die Südsee denken
- Südseebilder
(letzte Einstellung)
Laß uns zu mir gehen, sagte ich. Nein, sagte sie, Dann laß
uns wenigstens ein bißchen gehen,
- Kreuzung (hinter Hubschrauber)
beharrte ich auf wenigstens einer Spur von Initiative. Und das
taten wir schließlich,
- Alte Rabenstraße vom Cafe 1
wir gingen ein bißchen, sie die Hand in meiner Hose und
ich mit einer unter ihrem Rock. Dann setzte ich sie auf einen
Zaun
- spitzer Zaun
und wollte in sie hinein, doch auch das ging nicht.
- G28-1 Brücke des Tiberius erster Teil
(letzte Einstellung)
Oh Häfen der Südsee
- Suva Hafen
(am Ende der Abblende)
und Brücke des Tiberius
- G28-1 Brücke des Tiberius zweiter Teil
(letzte Einstellung)
Laß uns zu mir gehen, versuchte ich es noch einmal, aber
sie bestand auf ihrem sinnlosen Nein. Ein paar Autos fuhren vorbei
und es regnete immer noch. Auch an einem niedrigeren Gitter kamen
wir nicht zusammen.
- stumpfes Gitter
doch endlich lagen wir in einem Hauseingang auf der Treppe.
- Treppe halbnah
Mein Schwanz war nicht steif, und ich mußte ihre Beine weit
nach oben nehmen, um in sie hinein zu kommen. Sie war gar keine
Portugiesin, sie kam aus Bremen und hatte mit einer studentischen
Theatergruppe zu tun.
- Baum
- Treppe nah
Gegenüber öffnete sich eine Tür
- gegenüberliegende Tür nah
und eine ältere Frau kam heraus und blickte zu uns herüber.
- Treppe total
Wir trennten uns so hastig, daß ich nicht einmal mehr weiß,
ob ich überhaupt gekommen bin.
- Baum
Ach dieser Trümmerhaufen, den man das eigene Leben nennt.
(in Abblende)
Aus der Tür gegenüber kamen noch mehr Leute.
- gegenüberliegende Tür halbnah
Ich will jetzt nach Hause, sagte sie,
- Alte Rabenstraße totaler
als wir aufstanden. Wir gingen wieder zur Ampel vor dem Möbelgeschäft.
- Kreuzung von gegenüberliegender Ampel
Es regnete jetzt stärker, bald kam ein Taxi.
- Ampelmast allein
Wir küßten uns noch einmal und dann sagte ich "Komm
gut nach Hause", "Klar", sagte sie.
- Taxi fährt um die Ecke
(in Abblende)
Ich hatte es nicht weit bis zu meiner Wohnung
- Haus Alte Rabenstraße
und nachdem ich die Treppe emporgestiegen war, legte ich mich
gleich ins Bett.
- Baum
Zum ersten Mal seit langem war ich - ich wollte das zuerst gar
nicht wahrhaben - mit mir im Innersten zufrieden - Ach! dachte
ich noch im Einschlafen, mit welcher Hoffnung heftet man sich
doch an andere Menschen.
- G29-2 Gabriele Moorweide hüpft ein wenig
(nach erster Abblende)
Oh, du Wiese meiner Jugend
- G14-2 grüne Weide
Was eigentlich gibt einem das Wiedererwecken solcher Erinnerung?
Eine Art Orientierung?
(letzte Einstellung)
Vielleicht nannte man die Portugiesin ja so, weil sie den Eindruck
machte, eine sehr erfahrene Frau zu sein und die Portugiesen haben
ja auch überall in der Welt ihre Niederlassungen hinterlassen.
Ach der Staub des Vergessens über der Vergangenheit! (weiter)
- G15-2 (Buchenrondell mit Blättern)
Vielleicht sollte man all das wirklich lieber vergessen.
Ich bin und du bist, dachte ich in solchen Situationen oft bescheiden
- doch auch: Triumph!
(letzte Einstellung)
Hier, ja hier habe ich einmal Leben spüren lassen! Doch traurigerweise
ist an den Stätten solchen Triumphes später nicht das
Geringste mehr von ihm zu entdecken.
- G16-2
Ach, bei der Beschreibung dessen, was war, bläht sich das
Tier im Menschen noch einmal auf, danach wird es traurig.
Schadlos übersteht bloß Materie den menschlichen Schrei!
(letzte Einstellung)
Traurig, dachte ich in dieser Nacht mit Patricia in Rimini noch,
ich bin nicht traurig, denn mein Verlangen war inzwischen perfekter
geworden. Die wilde Not, jemanden zu besitzen, hatte sich in etwas
anderes verwandelt, die wilde Not, ja, so könnte man es nennen,
einen anderen Menschen zu verstehen.
- G17-2 Bäume
(Letzte Einstellung)
Patricia kam aus Malawi, und als ich mit ihr am nächsten
Morgen den Tempel des Malatesta von Alberti besichtigte, immerhin
eines der ersten Gebäude der Renaissance, bemerkte ich, daß
sie mich und Europa mit der gleichen unvoreingenommenen Arroganz
betrachtete, die ich selbst gegenüber der Antike an den Tag
legte.
- G2A-2 Tempel des Malatesta
Renaissance hieß damals zurück nach Rom. Patricias
Verhalten erinnerte mich an die Überheblichkeit, mit der
ich einmal das Schlachtfeld von Chaironea besichtigte, auf dem
der römische Feldherr Sulla hunderttausend Gegner Roms besiegt
hatte, mehr als hunderttausend hatten dort unten in der Ebene
gekämpft.
- G2C-1 Schlachtfeld Chaironea
Wie gleichgültig Orte gegenüber Geschehen waren! dachte
ich damals sentimental, und dabei war dies sogar der Ort eines
Zeugen, des gewaltigsten Zeugen der Antike, Chaironea! die Heimatstadt
Plutarchs, und keine Spur mehr von Sulla in diesen Bildern, und
keine Spur von Plutarch!
(nach Abblende)
Ja, damals bekam ich ein Gefühl für die Kraft, mit der
man als Mensch die Erde zertreten kann
- G13-2 das Bett allein
(nach Fuß)
Doch Tiberius und Sulla waren wirklich lange tot, und Patricia
und ich studierten uns immer noch einander, als wären wir
bloß zum gegenseitig sich Studieren da, in dieser uns seltsamerweise
verbrannt vorkommenden Welt, und wo immer ich war, zog es mich
schließlich hinunter zum Meer. Das erstaunte mich, was war
das nur mit dem Meer? was zog mich hin zu diesem Meer?
- G2A-1 Gabriele Moorweide hüpft viel
(letzte Einstellung)
Ach, du dumme Wiese meiner Jugend
- 76-1 Agadir Außenhafen
All diese Häfen, in denen ich meine Erinnerung gelassen habe,
diese entsetzlich entleerten gefräßigen Häfen
- wo nur, wo in meinem Gedächtnis ist das verführerische
Gesicht, mit dem sie mich einst lockten?
(letzte Einstellung)
Immerhin führten mich meine Fahrten wieder nach Marrakech,
wo ich am Minarett der Kotubia, das zur gleichen Zeit errichtet
wurde, als Othman die Pyramide des Mykerius durch seinen Schlitz
auseinanderbrechen wollte, erfreut entdeckte, daß sich die
Pyramidenform im Lauf der Geschichte gestreckt
- 77-2 Marrakech Kotubia
und in einen Turm verwandelt hatte.
Dort endlich bekam ich ein Gefühl für das, was Luise
in ihrer Verwirrtheit auf den Pyramiden vielleicht gesucht haben
könnte - ich glaube, sie hatte die Vorstellung Gott so näher
zu sein und irgendwie wollte sie es ihm zeigen,
(am Ende:)
Doch sieht Gott nicht ohnehin alles?
Mit Genugtuung stellte ich jedenfalls fest, daß sich die
Pyramidenform im in der Nähe gelegenen Menara Garden sogar
in Häuslichkeit zu verwandeln verstanden hatte. Dazu konnte
man die arabische Kultur nur beglückwünschen.
- 73-1 Menara Garden Anfang
(bei Abblende)
In der Spekulatiusarchitektur von Ait Ben Hadou allerdings vermochte
ich mich nicht mehr wiederzuerkennen,
- Stück von Ait Ben Hadou
(am Ende:)
nein, in so etwas konnte ich keinen Spiegel mehr von mir entdecken,
und so machte ich in der Folgezeit ein paar gezieltere Selbstporträts,
- Stonehenge
Selbst als Stonehenge
- Palme im Wind
selbst als Palme im Wind
- Santiago auf Gomera
und in einem besonders schwachen Moment:
- drei Blätter
selbst als drei Blätter im Wind
doch was bedeutet einem schon ein Selbstporträt,
wenn man allein ist, in die Fußstapfen von jemand anderem
möchte man da treten, und hier auf dieser Wiese war ich glücklich,
- zwei Massaimädchen
so klare Sätze möchte man dann sagen,
- Wiese
doch ich fand keine klaren Sätze mehr und trat daher hilflos
in die Fußstapfen des wackeren Odysseus und befuhr wie er
wieder die See. Griechenland wollte ich endlich erreichen.
- G21-2 Meer Amorgos ruhig
(Abblende)
Ja, Griechenland wollte ich erreichen, die Demokratie und Piräus,
und endlich die Sträuche und Büsche rund um die Akropolis
sehen. Nein, ich nahm nicht an, daß ich weinen müßte,
wenn ich die Akropolis zum ersten Mal erblickte. Aber vorsichtshalber
schaute ich gar nicht erst so genau hin.
- G22-2 Athen
(Abblende)
Ach, Sträucher und Büsche - ewigen Zorn entkorkt ihr
in mir plötzlich! Mehr zerstören als Zeit wollte ich
auf einmal diesen Ort, und doch ihn bewahren und baden endlich
in einfacherem Gewässer.
- G23-2 Pappeln
Ruhe wollte ich, eine Art Ruhe, und die dummen Lieder kamen wieder
in mir hoch, die ich Anfang der achtziger Jahre mit getragener
Stimme gesungen habe.
- Messer und Landkarte
Ich bin frei - ich bin Film, ich bin Dichtung - so sang ich damals,
- Mann will an Erde haften
und bitte komm mir zu Hilfe, Aphrodite, bleib an meiner Seite,
während ich mich deinem heiligen Wesen nähere, damit
ich nicht immer diese entsetzliche traurige Einsamkeit in mir
spüren muß!
- Messer und Landkarte
- Mann will Planeten berühren
Mann:
"Fühlt die Erde, will es sagen. Laßt die ungeheure
Weite in Euch eindringen! Wißt, daß ihr an dieser
Stelle in dieser Stunde den ganzen Planeten berührt!"
- G2B-2 Strand Livadi + Astypalia
(Letzte)
Ach, die Antike tröstet wohl,
(fast Schwarz)
doch nicht genug
- 73-3 Pyr Mykerios
Und weil Gott immer alles sieht, hätte Luise sich ihm auch
nicht so umständlich auf einer Pyramide zeigen müssen,
wenn sie gegen ihn und seine Welt protestieren wollte!
"Schlitz", am Ende, als ein Schlitz auftaucht
(in Abblende)
Ja, vielleicht beginnt das wirkliche Leben eines Mannes wirklich
mit dem Abschied von einer Mutter.
- Mann auf der Flucht nach Norden
Mann:
"... und so wird das Europäische Gesicht gezeichnet
von einer abenteuerlichen Krankheit: zu drei Vierteln schwarz
schiebt es sich mit rastlosen grauen Augen wieder nordwärts..."
- Schiffe2
- G25-1 Springbrunnen und Mädchen
Ja, Aphrodite, komm mir zu Hilfe, bleib an meiner Seite, während
ich mich deinem heiligen Wesen ein letztes Mal zu nähern
versuche.
(Abblende)
Das Meer, dem keine Aphrodite mehr entsprang.
- Akropolis
- Akte von Tanja mit Abblende
Ende Rolle 1 52:29
Rolle 2
- Seekranke Seemänner im Chor:
"Ja, sieben Jahre haben wir die Ozeane befahren,
seekranke Seemänner auf seegängigem Schiff,
seekranke Seemänner auf seegängigem Schiff!
Und gesehen - gesehen
haben wir nix!
Gesehen - gesehen
haben wir nix!"
- 76-2 Essouira Hafenfort
Oh, Mogador, du lusitanisch Schöne!
(nach Abblende)
Als ich Patricia am nächsten Morgen im Hotel in einer Broschüre
die Bauten von Augustus, Tiberius und Alberti betrachten sah,
merkte ich, daß die Begegnung mit ihr noch etwas an sich
viel Naheliegenderes zum Vorschein kommen lassen wollte.
- G2D-2 Patricia
(Abblende)
Es handelte sich um eine Art Alptraum aus dem New York der sechziger
Jahre - für mich jedenfalls war es ein Alptraum - und hatte
überhaupt nichts mit der Portugiesin zu tun. Es ist schon
seltsam, auf wie merkwürdigen Bahnen Erinnerung sich Platz
in der Gegenwart verschafft.
- Giraffen 2
Norma kannte ich aus der Bar, in der ich mich damals eigentlich
jeden Abend betrank.
- Massaimädchen 1
Sie hatte eine Neigung zur Gewalttätigkeit
- Giraffen3
und schmiß in der Bar Tische und Stühle um, wenn sie
sich von einem Mann beleidigt fühlte. Dann sagte sie ihm
sehr laut: "Ich kenne dich genau! Du kannst mir nichts vormachen."
(Abblende)
Mit 24 war ich nicht in der Lage, solche Zeichen vernünftig
zu lesen.
- Magadi - Maschine Abblende
- Magadi See
Eines Abends gingen wir mit einem Schwung Leute aus der Bar zu
einer Art Party.
Bald war ich der einzige Weiße im Raum.
- Hütte1
wie übrigens auch beim Aufnehmen dieses Bildes
- Straßenszene Afrika
Wir tranken und rauchten, doch als sich dann jemand einen Schuß
setzte und mit gezogenem Messer Scheiben einschmiß, sagte
Norma:
"Komm, laß uns weggehen!" und so gingen wir weg.
Norma kam aus Chicago und hatte dort in der Nähe des Fermi
Instituts gewohnt.
- Lake Magadi
Die Männer dort, sagte sie mir, hätten ausgesehen wie
ich.
In ihrer Wohnung zeigte sie mir ihre Töpfereien,
- Hütte2
ihr Kind und einen großen Schäferhund.
- Lake Magadi 1
Weil sie nicht dort mit mir schlafen wollte, gingen wir zu mir.
- Lake Magadi 2
Ich sah Entsetzen in ihren Augen,
- Hütte3
als sie das Chaos wahrnahm, in dem ich damals lebte und irgendwann
erstaunte es mich -
das ist natürlich nicht besonders originell - wie bleich
mein Schwanz aussah, wenn er aus ihr herauskam.
- Giraffen
Norma war stockbetrunken, hatte weißen Ausfluß
- Lake Magadi ohne Abblende
und ich kurz danach einen Tripper. Vielleicht
- Lake Magadi mit Abblende
interessiere ich mich deshalb seither vage für Afrika.
- Fiji Dorf mit Cola
Ich weiß, das klingt nicht besonders nett, aber warum soll
man die Dinge eigentlich schöner machen, als sie nun einmal
waren. In der Erinnerung gibt es kein Unglück
- 76-3 Lake Magadi
ohne vorher gefühltes Glück.
(Abblende)
Und dann ist es inzwischen so lange her, daß ich es an sich
ja schon vergessen hatte.
- G22-1 verkrüppelte Buchen
Ja, so lange her, daß ich nicht einmal mehr weiß wie
wahr es überhaupt ist.
Ich hatte es wohl erlebt, aber dann hatten wir alle
(Abblende)
uns so bereitwillig in Situationen wie diese begeben, daß
man sie auch als von den Beteiligten inszeniert oder ausgedacht
bezeichnen könnte.
Nehmen sie mir zum Beispiel ab, daß ich noch vor ein paar
Jahren
- G27-1 Astypalia total
und nach allem, was mir inzwischen passiert ist - dort oben auf
diesem Berg eine Frau, sagen wir mal jetzt etwas vorsichtiger
- geküßt habe?
(Abblende)
Nein, so gesehen ist der Mensch wirklich nicht frei.
Auch nicht in Afrika.
- Fiji Mangroven
Inzwischen hatte ich allerdings so viel auf die Mütze bekommen,
daß ich mich höchstens noch als windzerzaustes Gestrüpp
begreifen konnte, und selbst das nur, wenn ich Leuten begegnete,
- G28-2 Bäume Astypalia
die mich von früher kannten und bei denen ich mich höflich
zusammennahm.
Man begreift ja oft erst nach langer Zeit, was einem eigentlich
geschehen ist.
(Abblende)
Das Meer, dem keine Aphrodite mehr entsprang.
- G2D-2 Akt an einsamer Bucht
- G2C-2 Anleger Fischmarkt
(Abblende)
Nach dem Erlebnis mit Norma wurde mir schlecht, wenn ich Pferde
sah.
- Pferde
oder auch nur Ameisen.
- G15-1 Ameisen
Nun, der Mensch ist kein Tier und muß mit solchen Dingen
leben lernen.
Kurz nach der Geschichte mit Norma besuchte mich Doris, mit der
ich zusammenlebte, bevor ich nach New York ging.
Es war Weihnachten und
- G16-1 die Rächerin kommt 1
schon am Flughafen fiel es mir schwer, mich mit ihr auf Deutsch
zu unterhalten. Ich ließ immer wieder englische Sprachbrocken
einfließen, von denen sie sich veralbert fühlte. Irgendwann
wird dieses Gestrüpp der eigenen Handlungen eben so unüberschaubar
und undurchdringlich
- Fiji Mangroven
daß man sich schließlich in ihm verheddert, das ist
dann nicht mehr komisch. Als sie in meiner Wohnung mit mir schlafen
wollte, mußte ich ihr sagen, daß ich einen Tripper
hätte. Sie wurde wütend und beschmiß mich mit
Gegenständen, Ach Afrika!
- G16-1 die Rächerin kommt 2
"Ich bring dich um," schrie sie und zerkratzte mir das
Gesicht. Wir rangen miteinander und erst als ich auf ihr lag und
ihre Arme packte, kam sie zur Ruhe. "Los fick mich, du Schwein,"
sagte sie noch einmal wütend. Nun, das Leben ist brutaler,
als man häufig annimmt - ich war bisher immer gut mit ihr
zurechtgekommen, und so tat ich dann, was sie von mir verlangte.
- Meer vor Fiji
(Abblende)
Nun, ich weiß, auch das klingt nicht besonders nett,
- G2E-2 Porträt Tanja als Baum
doch das waren die Sechziger Jahre, in denen sich alles veränderte
und keiner recht wußte, wie eigentlich man sich in den neu
entstehenden Situationen zu verhalten hatte.
Doris rächte sich, indem sie den Schuppen in Brand setzte,
in dem ich meine Sachen lagerte, so verlor ich meine frühen
Manuskripte und Filme - wie ich heute weiß, kein besonders
großer Verlust.
Allerdings ging dabei auch das einzige Bild, das ich von ihr hatte,
in Flammen auf, so daß ich heute nicht einmal mehr weiß,
wie sie überhaupt ausgesehen hat.
(Abblende)
Ich glaube sie begriff nicht einmal eines der grundsätzlichsten
Versprechen der Liebe, das nämlich, das darin besteht, nie
etwas zu erzwingen.
- Die Rächerin droht
Ja, das waren die sechziger Jahre,
- G26-2 Hafen Mazagan
die Katastrophen von damals waren irgendwie noch überschaubar
und was man einander antat, mit ein wenig Geld oder Penicillin
wieder in Ordnung zu bringen. Damals hielt man so etwas für
das Schlimmste, was einem passieren konnte, doch solche Sachen
waren eigentlich folgenlos. Heute begreift man, daß viel
Schlimmeres geschah, doch es ist nicht so leicht zu benennen,
weil das Böse in ihm gar nicht böse erscheint. Durch
bloßes Vorhandensein - und das ist wirklich brutal - ermutigte
man damals nämlich schon andere zu überverwegenem Leben.
- Seekranke Seemänner Chor abgebrochen:
"Ja, sieben Jahre haben wir die Ozeane befahren,
seekranke Seemänner auf seegängigem Schiff,
seekranke Seemänner auf see- ..."
- Schiffe Ende
- G1A-2 Bäume
"Ich bereue!" Sätze von solcher Schlichtheit würde
ich gerne aussprechen, doch im Inneren bereue ich nichts, denn
auch ich habe mich von der bloßen Präsenz anderer leiten
lassen und so mein Leben in Bahnen gelenkt, von denen ich eigentlich
gar nichts wissen wollte.
"Benutze mich," sagen wir stattdessen inzwischen oft
zueinander, "aber berühre mich dabei nicht," und
niemand - und wie sollte so etwas auch aussehen - kann einem schließlich
verbieten, einfach wie ein Baum in der Welt zu stehen und so zu
tun, als ob sie einem gefällt.
- G1A-1 Pferde
- G1B-2
- G18-2
(Abblende)
Ach, der Himmel war wolkenlos,
der Nachmittag mild.
- Hafeneinfahrt Mombasa
"Nix, Nix"
- G24-1 einsame Bucht Asty
Tja, bei der Beschreibung dessen, was war, bläht sich das
Tier im Menschen noch einmal auf, danach wird es traurig.
- 74-3 Komorane
Mordgeschrei uund Sterbeklagen!
Ängstlich Flügelflatterschlagen!
Welch ein Ächzen, welch Gestöhn
Dringt herauf zu unseren Höh'n!
Alle sind sie schon ertötet
See von ihrem Blut gerötet.
Mißgestaltete Begierde
Raubt des Reihers edle Zierde.
(Abblende)
Nun, schon meine Mutter meinte, die Erinnerung wäre heutzutage
die einzige Hölle, aus der man sich nicht davonstehlen könnte,
ich weiß allerdings bis heute nicht, wie sie darauf kam,
und, wenn ich es mir recht überlege, hat sie damit wahrscheinlich
nicht einmal recht.
- G19-2
- "Nix! Nix!"
- Seekranke Seemänner 3 im Chor:
"Ja, sieben Jahre haben wir die Ozeane befahren,
seekranke Seemänner auf seegängigem Schiff,
seekranke Seemänner auf seegängigem Schiff!
Und gesehen - gesehen
haben wir nix!
Gesehen - gesehen
haben wir nix!"
- G2F-2 Athen vom Pnyx
Oh, dieser Trümmerhaufen, zu dem das eigene Leben geworden
ist - Demokratie, schrie es jetzt immer lauter in mir, Demokratie!
die ganze Welt der Demokratie!
(Parthenon und Lykabetos im Gras)
Oh ihr Orte der Demokratie,
ihr Orte -
Orte -
(Abblende)
Orte!
die ganze Welt - Barcelona! - umarmen!
Nein, ich bedauere das alles eigentlich nicht,
- G2E-1 Buchenrondell Herbst
und dann ist so viel von meiner Erinnerung schon so weit weg,
daß ich sie kaum noch spüre und es schmerzt, sie wieder
in die Gegenwart zu rufen.
Nein, meistens spüre ich sie nicht, ich spüre weder
ihr Gewicht noch ihren Reichtum -
nein, nein, eigentlich gibt es gar keine Vergangenheit.
- G1C-2 Kastanien im Frühling
(Abblende)
"Das große Meer, in dem die Wale pissen", dachte
ich schließlich irgendwann einmal und mußte über
diese billige Provokation lachen - und ich weiß auch nicht
warum - aber es war, als hätte die Einfachheit dieses Gedankens
eine entsetzliche Last von mir genommen - auf einmal und endlich
und nach langer, langer Zeit war ich wieder einmal mit mir - zufrieden.
- Brücke des Tiberius
- G24-2 Cafe Livadi
Pferde - NIX!
Ameisen - Nix!
(Abblende)
Auch die Natur tröstet wohl,
- G2F-1 Stadtparkschwimmbad
doch wohl auch nicht genug.
(letzte Einstellung)
Ja, großes Meer,
(Abblende)
in dem die Wale...
- 77-1 Meer von Lopud
- G2G-2 Birken, Buchen, Kahles Anfang
- G2G-1 Eichen im Alstertal
- G2G-2 Birken, Buchen, Kahles Schluß
- Meer vor Fiji
Schlusstitel:
mit
GABRIELE LEIDLOFF
TANJA O'BRIAN
PATRICIA HIGHTOWER
ROSALIE VAN DÜLMEN
CAROLA REGNIER
MARTIN FRANK
MARTIN KUKULLA
Kamera, Buch, Regie, Produktion, Musik, Schnitt
Klaus Wyborny
Mischung: Stefan Konken
Computer-Hardware: WMD-GmbH Ulrich Kleimann, Michael Reinhold,
Thomas Völker
Computer-Software: Klaus Wyborny
Computer zur Kamerasteuerung: Thomas Coerper
Tonsynchronisation: Rüdiger Neumann Studio Konken
Klaviere: Götz Humpf, Gisela Stelly, Pia Frankenberg
Optische Bank: Helmut Herbst, Udo Engel
Produktionsleitung Afrika: Marion Kollbach
Negativschnitt: Marlis Roth
Dank an Karol Schneeweiß und Maria Fisahn
produziert mit Mitteln des Hamburger Filmbüros
(c) 1994 K. Wyborny
Ende Rolle 2 24:21
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